Unsere Redaktorin hat sich am Wochenende unters Volk gemischt und zählt sich jetzt auch zu den Schwingfans.
«Man muss diesen Sport lieben.» Dieser Satz ging mir am Samstagmorgen immerzu durch den Kopf, als ich mich auf den Weg nach Zug zur momentan weltweit grössten temporären Arena machte. 6.30 Uhr ist nämlich nicht wirklich meine Zeit und von Schwingen habe ich keine Ahnung. Ich gebe zu, mein nächster Gedanke war: «Was mache ich hier eigentlich?»
Die vorgängig publizierten Zahlen rund um das grösste Sportereignis, das dieses Jahr in unserer Region stattfindet, hielten mich zu Vermutungen an: Das Organisationskomitee rechnete mit 350000 Besuchern, die am Wochenende das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (Esaf) in Zug besuchen. Ich war also auf überfüllte Züge, verstopfte Strassen und leere Bankomaten vorbereitet. Doch zu meiner Überraschung erwischte ich einen beinahe leeren Zug.
Aber so sollte es nicht bleiben: Zusammen mit 56500 Zuschauern verfolgte ich das Schwinggeschehen in der Arena Zug. Pünktlich zum Anschwingen waren die Reihen besetzt, die ersten Rucksäcke ausgepackt und die Feldstecher gezückt. An anderen Grossveranstaltungen ist es undenkbar, aber bei den Schwingfans gehört es zum Tenü wie das Edelweisshemd: Das Sackmesser. Mit diesem werden im Stadion Käse- und Fleischplatten zubereitet – probieren darf die ganze Reihe. Derweil werden die Gläser mit Weisswein aus der Kühltasche gefüllt.
Immer wieder an den beiden Tagen faszinierte mich die friedliche Stimmung – in und um die Arena und auch am Abend an den Konzerten. Sobald ich die Arena betrat, tauchte ich in eine andere Welt ein. Hier sind «d’Manne a de Arbet» und der Speaker spricht von «Sägemehl-Gladiatoren». Urchig ist auch die Ländlermusik, die das Geschehen auf den sieben Sägemehlkreisen begleitete. Auf allen sieben Sägemehlplätzen schwingen die Athleten jeweils gleichzeitig. Unterbrochen wurde nicht mal, als Rind Greth aufgeschreckt durch die Arena lief. Das Braunvieh zeigte bei der Präsentation der Lebendpreise am Samstagmorgen in der Arena ein paar wilde Sprünge – für die Schwinger im Sägemehl war dies jedoch kein Grund zur Beunruhigung – sie waren schliesslich konzentriert bei der Arbeit. Für einen Laien wie mich war es deshalb schwierig, das sportliche Geschehen zu verfolgen und auch zu verstehen, wer jetzt wen mit einem gekonnten Schwung ins Sägemehl befördert hat. Bei den einen sah es eher mühsam aus und die Bedeutung von «Arbeit» kam durch. Hingegen als der Sörenberger Wicki Joel – ja, unter Schwingern sagt man tatsächlich immer den Nachnamen zuerst – beim sechsten Gang den Appenzeller Michael Bless – äh Bless Michael – mit Kurz auf den Rücken legte, sah das von weitem zumindest sehr locker und mühelos aus. Schade, ist Wicki nicht Schwingerkönig geworden. Eine Hilfe waren auch die Zuschauer, die auf den sechs Tribünen nach den Verbänden und damit nach Regionen geordnet waren. Je nach Herkunft des Siegers jubelte somit die Mehrheit der einen oder anderen Tribüne. Generell war das Publikum in Feierlaune: Mehrmals gingen La-Ola-Wellen durchs Stadion.
Die friedliche Atmosphäre übertrug sich auch nach «draussen»: In den Public-Viewing-Zonen und generell auf dem Festgelände waren die Besucher geduldig und, auch wenn sie fluchten, keineswegs aggressiv. Sogar anstehen für den Gabentempel ohne Murren lag drin: Dort gab es neben Waschmaschinen, einem Ergometer aus Holz und Felgen im Edelweiss-Design auch Doppelbetten, Motorsägen und Rasenmäher zu bewundern. Und hatte man eine Frage, wurden diese von den zahlreichen «Chrampfern» beantwortet. Sie sorgten auch dafür, dass kein Abfall auf dem Boden lag, die WCs sauber waren und für Nachschub, wenn den Schwingfans auf der Tribüne das kühle Bier oder der Weisswein ausging.
Mein Fazit ist kurz: Ja, man muss diesen Sport einfach lieben – und wer weiss, beim nächsten Schwingfest trage ich dann auch Edelweiss.