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Uri
Landrätin Jolanda Joos möchte den öffentlichen Verkehr für junge und alte Urner kostenlos machen. Der Regierungsrat befürchtet jedoch, dass der Bund dann seine Unterstützung einstellen könnte.
Die Benutzung des öffentlichen Verkehrs (ÖV) soll im Kanton Uri für Personen bis 20 und ab 75 Jahren kostenlos sein. Das fordert die Bürgler SP-Landrätin Jolanda Joos in ihrer Motion an die Regierung (wir berichteten). «Wenn man den Kindern und Jugendlichen bis zum 20. Geburtstag den öffentlichen Verkehr gratis anbietet, gewöhnen sie sich an den Umgang mit Bus und Zug und werden auch im Erwachsenenalter vermehrt damit fahren», verspricht sich Joos davon.
Den Regierungsrat überzeugt sie damit allerdings nicht, wie sich seiner nun vorliegenden Antwort auf den Vorstoss entnehmen lässt. Der individuelle Entscheid von Jugendlichen zum Umstieg auf das Auto erfolge jeweils nicht, weil sie nicht an den ÖV gewöhnt wären, sondern, weil sie sich irgendwann ein Auto leisten könnten. Auch «statusbedingte Überlegungen» macht der Regierungsrat dafür verantwortlich. Und auch bei den Seniorinnen und Senioren dürfte der Entscheid für einen Umstieg auf den ÖV nicht von finanziellen Gründen abhängen, vermutet er: «Kriterien wie Gesundheit, Selbständigkeit, Bewegungsfreiheit oder Sicherheit sind ebenso entscheidend.»
Zudem würden die genannten Altersgruppen bereits heute von Vergünstigungen profitieren. Zum Beispiel durch Generalabonnements, welche sie zu reduzierten Preisen kaufen können, oder auch Gratisangebote für Kinder und Jugendliche, wie die Juniorkarte.
Vor allem aber befürchtet die Regierung, dass eine Ausweitung der kostenlosen ÖV-Benutzung den Transportunternehmen finanzielle Einbussen von «grob geschätzt» fünf Millionen Franken bescheren könnte. Diese Ausfälle müsse dann die öffentliche Hand tragen. Zwar beteiligt sich heute auch der Bund an den Kosten des öffentlichen Verkehrs. «Im öffentlichen Regionalverkehr des Kantons Uri übernimmt der Bund 77 Prozent der abgeltungsberechtigten Kosten.» Abgeltungsberechtigt sind Angebote, wenn sie gewisse Voraussetzungen erfüllen wie zum Beispiel einen ganzjährigen Betrieb, oder wenn sie durch ihr Bestehen gewisse Orte erschliessen. Hierbei trägt der Kanton dann jeweils die restlichen 23 Prozent der Kosten, wovon er von den Gemeinden 30 Prozent zurückbekommt.
Dies tut der Bund jedoch nur, wenn eine ÖV-Linie einen bestimmten Ertrag bringt. «Ein Angebot muss eine gewisse Nachfrage sowie einen minimalen Kostendeckungsgrad ausweisen, damit es abgeltungsberechtigt ist», schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort. Andernfalls müssten Kanton und Gemeinden die Kosten selber tragen. Und genau das könnte passieren, wenn das kostenlose Angebot vergrössert wird, befürchtet die Regierung. «Sinken die Erträge auf den Linien durch Gratisangebote, ist die Bundesfinanzierung – zumindest bei einzelnen Linien – gefährdet.»
Ein weiteres Problem könne laut Regierungsrat entstehen, wenn die ausgeweitete Gratisbenützung zu mehr Passagieren führen würde. «Speziell in Rush-Hour-Zeiten» müssten dann zusätzliche Kurse oder auch Beiwagen bereitgestellt werden. Er schreibt:
«Die Kosten würden sich dadurch noch einmal beträchtlich erhöhen.»
Die Motion Joos' empfiehlt er deshalb als nicht erheblich zu erklären. Er werde mit der Einführung des neuen Buskonzepts 2022 «neue und bessere Angebote im ÖV schaffen und auch finanzieren», verspricht der Regierungsrat aber. Zudem prüfe er auch «kundenfreundlichere Tariflösungen für die gesamte Bevölkerung».
Die Motionärin Jolanda Joos kann den Argumenten des Regierungsrats nichts abgewinnen. «Er hat nun vor allem auf den finanziellen Aspekt Bezug genommen. Es ist klar, dass es etwas kosten würde», sagt sie auf Anfrage. Die Schätzung der Regierung hält Joos jedoch für zu hoch.
Gerade Buslinien, die heute aufgrund ihrer mangelhaften Wirtschaftlichkeit gefährdet seien, könnten von einem Gratisangebot profitieren, so Joos. Denn auf diese Weise würde auch ein Anreiz für ganze Familien geschaffen, den ÖV zu benutzen, wobei die Eltern dann für die Fahrt bezahlen würden.
Auch dass die Altersgrenzen von 20 und 75 Jahren für die Regierung «etwas willkürlich festgelegt» scheinen, versteht Joos nicht. «Ab 75 Jahren müssen Autofahrerinnen und -fahrer regelmässig einen medizinischen Sicherheitscheck absolvieren. Das scheint eine gute Gelegenheit, über einen Wechsel auf den ÖV nachzudenken.» Die untere Grenze sei so gewählt, damit Jugendliche beim Erreichen der Volljährigkeit nicht sofort aufs Auto umsteigen.
Immerhin: Vom Buskonzept 2022, das der Regierungsrat in seiner Antwort in Aussicht stellt, erhofft sich Joos «bessere und schnellere Verbindungen». Zusammen mit einem Gratisangebot könnte dann eine «klimafreundliche Veränderung in der Mobilität der Urnerinnen und Urner stattfinden».
Zwar könnte der Landrat der ablehnenden Haltung der Regierung folgen, weil er derzeit ebenfalls darauf aus sei, Geld zu sparen, vermutet Joos. Dennoch werde sie versuchen, ihre Ratskollegen von der Idee zu überzeugen. Letztlich könne man damit auch die Klimaziele besser erreichen. Ob der Landrat die Motion als erheblich erklären wird, zeigt sich in der Session von kommender Woche.