Hans Venetz gibt ein ungewöhnliches Buch heraus. Darin präsentiert er für jeden Tag im Jahr kurze Texte aus der Bibel, die Menschen unserer Zeit ansprechen.
Romano Cuonz
«Ich erhoffe mir einen gnädigen Gott, der meine kühnsten Erwartungen übertrifft», sagte Hans Venetz, früherer Rektor und Lehrer an der Kantonsschule Obwalden. Und im gleichen Atemzug fügte er bei: «Selbst wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllen sollte, gibt sie meinem Leben Sinn über den Tod hinaus.» Anlass zu einem solchen Bekenntnis gab dem Philosophen die Vernissage für sein neustes Buch. Es trägt den eher ungewöhnlichen Titel «Das Wort im Ohr – Tag für Tag» und ist eben im Luzerner Rex-Verlag erschienen. Das Cover ziert ein feinfühliges Bild, das Helen Venetz-Ruppen – die Ehefrau des Autors – kreiert hat.
Ein kleines, aber geradezu bibliophil gestaltetes Werk ist es, das auf 366 Seiten für jeden Tag einen Text aus der Bibel vermittelt. Venetz verwendet für die kurzen Gebete abwechselnd Verse aus Psalmen, Stellen aus den Evangelien oder biblische Briefe, die er sorgfältig ausgewählt hat, und die er, in gut verkraftbaren «Tagesrationen», aufs ganze Jahr aufteilt.
«Ich habe dieses Buch zuerst für mich geschrieben und drucken lassen», erzählte Hans Venetz an der Vernissage. Gleich an den Anfang setzte er, nicht zufällig, eine Aussage von Martin Luther: «Das Wort Gottes ist wie ein Kräutlein; je mehr du es reibst, desto mehr duftet es.» Für Leserinnen und Leser mögen diese Worte Einladung und Leitgedanke zugleich sein. Diese Sammlung von Bibelworten sei zu seinem täglichen Begleiter geworden, sagte der Autor. Und sie habe ihm dabei geholfen, die Hoffnung auf einen gnädigen Gott täglich zu pflegen, zu begiessen und wachzuhalten! Leute im Publikum, die noch etwas skeptisch schienen, munterte er auf: «Man muss dem Wort schon Zeit lassen, denn das Wort muss uns nicht auf Anhieb passen, sondern wir sollten unser Herz dem Wort anpassen!»
Ähnlich sieht es der ehemalige Einsiedler Abt Martin Werlen, wenn er im Vorwort festhält: «Wir können das Wort niederschreiben oder sogar malen, wir können es beim Einkaufen oder beim Weg zum Bahnhof wiederkäuen: Plötzlich leuchtet es auf durch die Ereignisse des Tages.» Spüren, wie dies gemeint ist, mag man, wenn man den Eintrag des heutigen Tages liest und sich durch den Kopf gehen lässt: «Haltet geduldig aus bis zur Ankunft unseres Herrn Jesus Christus! Auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt.» (Jakobus 5,7).
Am 1. Januar steht der 2. Vers aus dem ersten Psalm: «Glücklich der Mensch, dem es Freude macht, in der heiligen Schrift zu lesen. Tag und Nacht hört er das Wort, denkt darüber nach und sagt es vor sich hin.» Eine erste Leserin, die sich auf das Experiment, das Hans Venetz vorschlägt, einliess, war die Sachsler Katechetin Romy Isler. An der Vernissage lobte sie: «Mir gefällt, dass ich mit den Worten, die da jeden Tag in mich hineintropfen, nicht einfach in Watte gepackt werde.» Da habe es eben auch Herausforderndes dabei, Denkwürdiges, Widerständiges, Anstrengendes, Anstossendes, aber natürlich auch Tröstliches, Aufstellendes, Kraftspendendes. Leser bekämen mit diesen Texten Leitplanken, Tiefe und Kraft, so Romy Isler. Dabei komme es immer wieder vor, dass sich das Alltagsleben und die Texte auf ganz spezielle Art und Weise kreuzten. Etwa, wenn da an einem vorweihnachtlichen Tag stehe: «Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit andern zu teilen; denn solche Opfer gefallen Gott.» Worte, die im Leser nachklingen, genau wie die sehr empfindsamen Akkordeon-Melodien, die Martin Ledergerber zur Taufe des Buches beisteuerte.
Hinweis
Hans Venetz, Das Wort im Ohr – Tag für Tag. Rex-Verlag Luzern, 2017. ISBN 978-3-7252-1008-4. Im Buchhandel erhältlich für 19.80 Franken.