Polarlichter tanzen über dem Märchenhimmel in Sarnen

Mit einer Uraufführung zieht das Märlitheater Obwalden diese Saison seine Zuschauer in den Bann. «Die verlorene Stunde» ist poetisch, aber auch lustig und vor allem spannend. Am vergangenen Freitag war Première.

Marion Wannemacher
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Marcello Gariglio als Jari (links) und Laurin Moor als Aimo im Märlitheater. (Bild: Ingo Höhn/PD)

Marcello Gariglio als Jari (links) und Laurin Moor als Aimo im Märlitheater. (Bild: Ingo Höhn/PD)

Sie streiten, balgen und versöhnen sich wieder. Und dennoch lieben sie sich und halten zusammen. Geschwisterliebe ist das Thema der diesjährigen Produktion des Märlitheaters Obwalden. Im bereits bewährten Trio inszenieren die beiden Regisseurinnen Martina Fähndrich und Michelle Gsteiger ein Märli von Lisa Bachmann, das diese eigens für diese Aufführung geschrieben hat.

«Die verlorene Stunde» spielt in Lappland. Sehnlichst wünscht sich die Mutter (Petra Lütolf) zu ihren ständig streitenden Söhnen Jari (Marcello Gariglio) und Aimo (Laurin Moor) eine Tochter. Die Fee Alfa (Carla Serschen) erfüllt ihr den Wunsch unter einer Bedingung: An ihrem 14. Geburtstag soll Tochter Aika (Laïn Fähndrich) pünktlich zur Fee. Weil die Brüder mal wieder in Händel geraten, sind sie genau eine Stunde zu spät. Die Fee sperrt Aika zur Strafe in einen Spiegel. Die Brüder können sie nur erlösen, wenn sie die verlorene Stunde binnen Jahresfrist abliefern.

Abenteuer zwischen Gnomen und Wettergeistern

Der Rabe Kaiiva (Dunia Martin), Gehilfe der Fee, rät ihnen zur Suche in der Natur. Auf getrennten Wegen bestehen Jaris und Aimo Abenteuer bei der Gnomenkönigin (Martina Infanger) und der Herrscherin über Wind und Wetter (Chiara Padrone). Sie erhalten vermeintlich nutzlose Attribute, ein Schild und eine Feder.

Wieder vereint helfen sie dem Fürsten der Nordlichter, den schlafenden Lichthüter zu wecken, sodass die Nordlichter wieder über den Himmel ziehen können und erhalten zum Dank die verlorene Stunde. Doch nach einer Rauferei zerbricht das Stundenglas, die Stunde geht verloren. Ohnehin ist fraglich, ob die böse Fee Aika freilassen würde, denn um zu überleben, braucht sie die Illusion, sie sei schön. Spiegel hat sie aus ihrem Reich verbannt, Aika muss als Spiegelbild herhalten. Hilft das glänzende Schild?

Eigenkompositionen verdichten Stück

«An dieser Inszenierung liegt die Herausforderung in den technischen Ansprüchen, die Magie und Zauber herüberbringen sollen», sagt Regisseurin Michelle Gsteiger. Genau das gelingt, vor allem der Einsatz von faszinierenden Lichteffekten (Markus Schürmann, Licht(T)raum). Nordlichter tanzen über den Märchenhimmel, eine Mondfinsternis transportiert drohendes Unheil. Atmosphärisch verdichtet wird das Stück jedoch erst durch Jul Dilliers Eigenkompositionen. Manche muten wie Menuette aus der Renaissance an, andere erinnern an finnische Volksweisen. Ein Quartett (Barbara Disler, Stephan Meier, Lara Disler und Claudia Widmer) spielt während des gesamten Stücks in witzigen Pilzkostümen auf der Bühne.

Grosses Lob verdient auch das Team um Raphaela Leuthold für die fantasievollen Kostüme sowie Hanni Nievergelt für Maske und Hüte. Das Bühnenbild von Kathrin Schulze entspricht den Vorstellungen eines klassischen Märchens. Es braucht nicht viel mehr als Bäume, einen Steinhaufen für das Gnomenreich oder einen etwa vier Meter hohen Turm für den König der Nordlichter, der den Bühnenraum nach ganz oben öffnet.

Runde Inszenierung eines poetischen Märchens

Die Darsteller zeichnen sich durch Spielleidenschaft aus. Sie haben Lust auf ihre Rollen, das spürt auch der Zuschauer. Begeistert zeigen sich Martina Fähndrich und Michelle Gsteiger von der Leistung des gesamten Teams im Märlitheater. «Sie haben all unsere Wünsche erfüllt», sagt Fähndrich. Die Regisseurinnen verzichten auf überkandidelte Originalität. Vielleicht ist die Motivation der Handlung um die böse Fee und die Botschaft des Spiegelmotivs am Ende nicht ganz nachvollziehbar. Dies tut der ansonsten runden Inszenierung aber keinen Abbruch. «Die verlorene Stunde» ist mal poetisch, mal melancholisch, mal witzig und lustig – ein Märli, wie es sein soll.

Theater Altes Gymnasium Sarnen, Zusatzvorstellung Sonntag, 9. Dezember, 20 Uhr. Weitere Spieldaten unter www.maerlitheater.ch