Kolumnistin Carmen Kiser schreibt über Vorsätze fürs Neue Jahr.
Hier herrscht Weihnachtsstille. Die Zeit zwischen den Jahren, wo nichts passiert und nichts muss. Alle Familienmitglieder gehen ihren Beschäftigungen nach, sind am Spielen, Lesen, Schlafen. Aber auch am Aufräumen und Ordnung machen. Dazu gehört für mich, die Anfang Jahr gefassten Vorsätze einem Reality-Check zu unterziehen.
Fürs 2022 hatte ich mir vorgenommen, 45 Bücher zu lesen. Das Lesen ist für mich – neben dem Laufen – eine der besten Arten abzuschalten, aus dem Alltag zu verschwinden und Türen zu öffnen in unbekannte Welten. Seit meine Kinder grösser sind und mein Nachtschlaf wieder erholsamer, schlafe ich auch nicht mehr nach 3 Sätzen erschöpft ein, egal ob im Sitzen oder im Liegen.
Als seriöse Leserin und digitaler Listenmensch habe ich natürlich auch für diese Freizeitbeschäftigung eine App. Ich halte fest, was ich gelesen habe, wann, und wie es mir gefallen hat. Während andere gejoggte Kilometer, bereiste Länder oder gewonnene Fussballspiele zählen, führe ich Buch über meine Bücher.
Heuer habe ich 72 Bücher gelesen: 38 Romane, 10 Sachbücher, 8 Kinderbücher, 13 Graphic Novels und 3 mit Literaturpreisen ausgezeichnete Bücher. Darunter das «Blutbuch» von Kim de l’Horizon, das auf den ersten Blick bemüht und anstrengend wirkt, dessen Erzählfluss mich dann aber doch mitgerissen hat, und das so wunderbar ehrlich und auf hemdsärmelige Art liebevoll über die Grossmutter und die Beziehung der Erzählfigur zu ihr berichtet. Oder «Die Schneeschwester» von Maja Lunde. Ich habe die Geschichte meinem Sohn vorgelesen und musste mehrmals Tränen herunterschlucken und kurz durchatmen, weil Lunde so berührend erzählt, wie ein kleiner Junge und seine Familie mit dem Verlust der grossen Schwester umgehen. Völlig quer zum woken Zeitgeist habe ich im Sommer wieder mal «Vom Winde verweht» von Margaret Mitchell gelesen, diese Familiensaga aus den Südstaaten mit der unsäglich nervigen Scarlett o’Hara, deren Grundsatz, sich nicht jetzt um Probleme zu kümmern, sondern das Nachdenken darüber bis morgen zu vertagen («Tomorrow is another day»), mich gleichzeitig aufregt und fasziniert.
Für nächstes Jahr habe ich mir vorgenommen, mir weniger vorzunehmen. Der Gedanke gefällt mir, die Kontrolle etwas abzugeben und die Dinge einfach passieren zu lassen. Dafür habe ich ein wunderbares Ritual gefunden. In einer Frauenzeitschrift, unter dem Titel «Die Raunächte sind der neue Advent» (das scheint ein Trend zu sein, ganz unserem Zeitgeist entsprechend, auch die stille Zeit zwischen den Jahren noch mit Sinn und To-dos zu füllen – und ich mache natürlich begeistert mit). Ich habe 13 Wünsche aufgeschrieben für das neue Jahr. In jeder Raunacht werde ich einen davon verbrennen. Um diesen kümmert sich das Universum, das Schicksal, die Wichtel oder wer auch immer fürs Wünsche-Erfüllen verantwortlich ist. Ein Wunsch bleibt übrig. Um diesen muss man sich selbst kümmern. Welcher das ist, werde ich am 6. Januar wissen. Ich bin gespannt. Und was wünschen Sie sich fürs neue Jahr?