Startseite
Zentralschweiz
Luzern
Kommen Paare zufällig zusammen oder ist es Schicksal? Ein Blick nach Luxemburg lässt eher Ersteres vermuten.
«Die beiden habe ich mal verheiratet», sagte Christine gerührt, als wir auf dem Trottoir plauderten und auf der anderen Strassenseite ein Paar vorbeiging. Nein, Christine war nicht Standesbeamtin, sondern Hausärztin. Sie hat das Paar auch nicht eigentlich getraut, mehr verkuppelt. Ihre damalige Patientin überwies sie zum Spezialisten, einem Facharzt für Dermatologie. Der war verheiratet, hat aber befunden, dass seine neue Patientin die bessere Wahl sei. Diese sah das gleich. Das war vor Jahren. Seither sind die zwei ein Paar und glücklich miteinander. Wahrscheinlich. Genau weiss man das ja nie.
Mich faszinieren solche Geschichten. Ich frage mich jeweils, ob das nur Zufall war, oder ob der Dermatologe und seine Patientin einander auch auf anderem Weg mit Haut und Haaren verfallen wären. Hätte es also auch ohne Christines Überweisung zur schicksalhaften Begegnung kommen können? Die Frage ist hypothetisch, ausschliessen würde ich es freilich nicht. Auch die Wissenschaft ist sich uneins, ob es überhaupt Zufälle gibt. Die Wissenschaft ist sich allerdings grundsätzlich uneins. Wenn alles klar wäre, würde es sie nicht brauchen.
Für den Zufall in Beziehungsangelegenheiten sprechen die hohen Scheidungsraten. Wenn es wirklich eine höhere Macht gibt, welche dafür zuständig ist, dass zwei Menschen zusammenfinden, würde sie wahrscheinlich sorgfältiger vorgehen und dauerhaftere Bindungen schaffen. Bis dass der Tod sie scheidet? Naja, geschieden wird oft vorher. Sehr oft. In einer Quizsendung von Radio SRF 1 ging es kürzlich um die Scheidungsrate in Luxemburg. Richtige Antwort: 87 Prozent. Siebenundachtzig. Fast neun von zehn Ehen scheitern im Grossherzogtum. Das ist mehr als doppelt so viel wie in der Schweiz.
Was ist los in Luxemburg? Ich kenne weder Land noch Leute. Oder nur ein paar wenige. Etwa Jean-Claude Juncker, das EU-Kussmaul. Andy Schleck, den Tour-de France-Sieger. Und Camillo Felgen. Das war dieser Schiedsrichter im legendären TV-Städteduell «Spiel ohne Grenzen». Später hat er dann noch einen Laden für Hochzeitskleider eröffnet, in Luxemburg ein einträgliches Geschäft. Wo viel geschieden wird, wird mehrfach geheiratet. Möglicherweise sehnt man sich dort einfach verschärft nach partnerschaftlicher Abwechslung. Es bleibt vielleicht auch nicht viel anderes übrig. Landschaftlich liegt halt nicht viel drin. Grösster See ist der Obersauer-Stausee, flächenmässig vergleichbar mit unserem Lauerzersee. Höchste Erhebung ist ein Hügel namens Kneiff (550 m ü. M.). Hochgefühle dürften da nicht gross aufkommen. Die müssen sich Luxemburgerinnen und Luxemburger anderweitig holen.
Fleissig geschieden wird aber auch anderswo. Ich halte das – bei aller möglichen Tragik – nicht prinzipiell für verwerflich. Erst so ab der vierten Ehe werde ich etwas stutzig. Aber es ist nun mal so, Fehlgriffe kann es immer und überall geben, nicht nur beim Online-Kleiderkauf, auch bei der Partnerwahl, wobei sich der Fehlgriff sowohl beim Kleidungsstück wie beim angetrauten Gegenüber oft erst nach einiger Zeit herausstellt. Man muss es zunächst ein bisschen tragen bzw. ertragen.
Auch wenn eine Beziehung in die Brüche geht, darf man aber davon ausgehen, dass mal ein heftiges Feuer gelodert hat, oft entfacht von einer zufälligen (?) Begegnung. Ich selber bin übrigens mit einer Schulliebe verheiratet. Kennengelernt habe ich meine Frau nur, weil ich an die normale Schulzeit noch ein halbes Jahr anhängte. Freiwillig. Noch einmal: Zufall? Wir mussten uns zunächst zwar schon noch selber vergewissern, dass da wohl kaum mehr etwas Besseres nachrücken wird. Aber seither läuft das ziemlich gut, finde ich, und zu einem Dermatologen oder so ähnlich wurde meine bessere Hälfte auch nie überwiesen.