Aus Enttäuschung beendet ein Seetaler Betrieb die Zusammenarbeit mit dem grössten Bioverband. Das ist zwar ein Einzelfall, doch der Abstimmungskampf wird mit harten Bandagen geführt.
Die Stimmung in der Landwirtschaft ist angespannt. Insbesondere bei den Biobauern führen die Agrarinitiativen zu Sorgenfalten. Während ihre konventionellen Kollegen die beiden Volksbegehren mehrheitlich ablehnen, sind die Meinungen bei den Biobauern geteilt. Viele befürworten die Pestizidinitiative. Unklar ist, wie gross der Rückhalt für die Trinkwasserinitiative (TWI) ist. Bäuerliche Befürworter treten kaum öffentlich in Erscheinung.
Eine Ausnahme bilden Olga und Franz Felix. Der Englischlehrer und die Ärztin führen in Aesch im Nebenerwerb einen Bio-Demeter-Betrieb. Den Schritt an die Öffentlichkeit machen sie aus Unmut darüber, dass der Dachverband Bio Suisse Mitte April zur Trinkwasserinitiative die Nein-Parole beschlossen hat. Besonders stört sie die Aussage, dass mehr Biobauern den Markt gefährden würden.
Die Enttäuschung ist derart gross, dass Familie Felix vergangene Woche sogar den Vertrag mit Bio Suisse per Ende Mai gekündigt hat. Aus ihrer Sicht vertrete Bio Suisse die Philosophie der Biobewegung nicht mehr. «Bio ist kein Label, es ist eine Lebenseinstellung», sagt Olga Felix, die im angrenzenden Kanton Aargau in einem 60-Prozent-Pensum als Hausärztin praktiziert. Sie sagt:
«Wenn man die beiden Agrarinitiativen unterstützt, muss man damit rechnen, dass man angefeindet wird oder die Abstimmungsplakate alle paar Tage neu aufstellen muss.»
Olga und Franz Felix stören sich zudem an einem Rundmail des Verbands, in welchem unter anderem steht, man dürfe den Schriftzug von Bio Suisse und die Knospe im Zusammenhang mit den Initiativen nicht verwenden.
Bei Bio Suisse sind rund 95 Prozent der rund 7500 Biobetriebe der Schweiz angeschlossen. Der Verband vergibt die Knospe, die bekannteste und am weitesten verbreitete Biomarke der Schweiz. Laufen Bio Suisse wegen des Beschlusses zur TWI nun die Bauern davon? Danach sieht es nicht wirklich aus. Gerade einmal vier Betriebe haben ihren Vertrag bisher mit Bio Suisse aufgrund des Neins zur TWI gekündigt, sagt Lukas Inderfurth, Leiter Kommunikation bei Bio Suisse, auf Anfrage. Davon sei einer aus dem Kanton Luzern. «Die Verträge können per sofort gekündigt werden. Wer den Knospe-Vertrag auflöst, aber weiter biologisch produzieren möchte, kann dies nach der Bioverordnung oder nach den Richtlinien von Demeter tun», so Inderfurth.
Betriebe wie jener von Franz und Olga Felix sind also Einzelfälle. Die beiden wollen künftig nur noch auf das Demeter-Label setzen. Ganz zufrieden werden sie wohl auch damit nicht sein, denn Demeter hat für die TWI Stimmfreigabe beschlossen. Der Verband teilt die Ziele der Initiative, befürchtet jedoch, dass bei einer Annahme zahlreiche Betriebe aus dem ökologischen Leistungsnachweis aussteigen und die Produktion weiter intensivieren würden.
Olga und Franz Felix teilen diese Befürchtungen nicht, finden es aber gut, dass Demeter Stimmfreigabe und nicht die Nein-Parole beschlossen hat.
«Es ist tatsächlich schwierig vorauszusagen, wie die Auswirkungen der TWI aussehen. Aber nicht wegen der Initiative, sondern wegen der Politik.»
398 Demeter-Betriebe tragen landesweit das älteste Biolabel der Schweiz, davon 29 im Kanton Luzern. Wegen der Stimmfreigabe zur TWI sei es zu keinen Kündigungen gekommen, sagt Corinne Obrist von Demeter Schweiz.
Wie viele Luzerner Biobetriebe die Agrarinitiativen befürworten oder ablehnen, könne sie nicht abschätzen, sagt Angela Spiess. Sie engagiert sich im Luzerner Nein-Komitee und lehnt beide Volksbegehren ab. Zusammen mit ihrem Mann führt sie in Herlisberg in der Gemeinde Römerswil einen 17 Hektaren grossen Biohof. Bei der Trinkwasserinitiative seien es wohl nur einzelne Befürworter, bei der Pestizidinitative sicher mehr.
«Die für den Detailhandel produzierenden, vielseitigen Biobetriebe mit Hühnern, Schweinen oder Obstbau werden eher zweimal Nein sagen», sagt Spiess. Demeter-Betriebe und jene, die auf Direktvermarktung setzen, würden vermutlich eher Ja stimmen. Die Agrarinitiativen findet Angela Spiess zu extrem:
«Legt man sie wörtlich aus, müsste man auch Desinfektionsmittel verbieten. Das ist aber nötig, um die Hygiene in der Lebensmittelproduktion einhalten zu können.»
Fakt ist: Der Abstimmungskampf wird mit harten Bandagen geführt. Alle für diesen Artikel angefragten Personen, Befürworter wie Gegner, berichten über gestohlene, übermalte und zerstörte Plakate. Hella Schnider, welche die Nein-Kampagne zu den Agrarinitiativen im Kanton Luzern koordiniert, ruft beide Seiten zur Mässigung auf:
«Ich verstehe, dass es ein emotionales Thema ist. Aber in einer Demokratie muss man andere Meinungen respektieren.»