Über 220 Iffeler, Hornbläser und Geisslenklöpfer und hunderte Trychler zogen am Montagabend durch die Küssnachter Gassen. Gegen 15'000 Personen verfolgten das Spektakel.
Es muss schon ein besonderer Abend sein, wenn Hunderte Leute in Küssnachts Restaurants einen Fensterplatz reservieren. «Alle Fenster sind besetzt», antwortet uns zum Beispiel die Wirtin des Gasthauses Adler im Dorfzentrum auf die Frage, ob wir von ihrem Haus aus Fotos aufnehmen dürften. «Wenn Sie nett fragen, lassen Sie die Gäste vielleicht kurz ein Foto schiessen.»
Auf einen speziellen Anlass deutet auch die Tatsache, dass man mitten in der Innerschweiz plötzlich Bekanntschaft mit einem vierköpfigen Fernsehteam aus Japan schliesst. Sie seien wegen der lokalen Brauchtümer hier, erzählt die Dolmetscherin. Seit Tagen schon ist das Team eines grossen Privatsenders aus Osaka in Deutschland und der Schweiz unterwegs. Als um 20.15 Uhr ein lauter Knall ertönt und es in Küssnacht auf einmal stockfinster wird, sind nicht nur die japanischen Gäste aus dem Häuschen. Tausende Menschen – es dürften gegen 15'000 und damit etwas weniger sein als im Vorjahr – stehen am Strassenrand und warten auf das bevorstehende Ereignis. Die Stimmung ist mystisch, ein Kribbeln liegt in der kalten Luft. Nacheinigen Geisslechlepfern tanzen sie plötzlich an, die Iffeleträger.
229 sind dieses Jahr gekommen, einige von ihnen balancieren 2,80 Meter grosse Kunstwerke auf dem Kopf. Die Muster prachtvoll, das Kerzenlicht zauberhaft. Hinter ihnen die 990 Trychler, die das Dorf zum Dröhnen bringen.
Wer hier aktiv mitmacht, tut es aus Begeisterung für die Sache, für das Brauchtum. So wie Stephan Duss, 35-jährig, Konstrukteur. Satte 202 Zentimeter misst seine Iffele, rund 12,5 Kilogramm trägt der Küssnachter während des Umzugs auf seinen Schultern. Es könnte mehr sein, doch Grösse und Gewicht sind nicht alles. «Ich habe 1000 Stunden an meiner Iffele gearbeitet», erzählt Duss. Fünf Jahre lang – mit zwei Jahren Unterbruch – hat er an dem Konstrukt aus Karton, Seidenpapier, Holz und Aluminium gewerkelt.
Als kleiner Junge kam er auf den Geschmack und begann irgendwann, seine erste eigene Iffele zu basteln. Gestern weihte er sein neuntes (!) Modell ein. Bis Timon Ammann neun Iffelen verbraucht hat, dürfte noch etwas Zeit vergehen. Der Junge ist 10 Jahre alt und zusammen mit seinem Vater Josef zum ersten Mal am grossen Klausjagen dabei. Am Nachmittag nahm er als Geisslechlepfer am Kinderumzug teil, jetzt darf er bei den Grossen mittun – obwohl er ja eigentlich noch zu jung dafür wäre. Timon hat seine eigene Iffele im Oktober von Papa als Geschenk zum Geburtstag erhalten. Er strahlt, sein Vater ebenso.
Nach dem grossen Umzug wurde in Küssnacht noch bis in die Morgenstunden gefestet. Wie lange Stephan Duss, Timon Ammann und das japanische Fernsehteam mitgefeiert haben, konnte nicht mehr eruiert werden. Sicher ist: Sie alle nehmen ihre ganz eigene Erinnerung an das Klausjagen 2011 mit nach Hause. Den 1574 aktiven Teilnehmern der St.-Niklausen-Gesellschaft sei Dank.
Daniel Schriber / Neue LZ