Kantonsschule Schüpfheim/Gymnasium Plus
Junge Talente bezaubern im Entlebuch mit Schweizer Musical Premiere

Grosses Musicaltheater bringt die Kantonsschule Schüpfheim/Gymnasium Plus mit «Made in Dagenham» auf die Bühne. Das Projekt zeugt von grossartigem Theaterschaffen und grosser Leidenschaft aller Beteiligten.

Hannes Bucher
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Weggezaubert ist die Sporthalle Moosmättili in Schüpfheim dieser Tage: Das Areal ist überflutet von der Musicalwelle, ausgelöst von der Kantonsschule Schüpfheim/Gymnasium Plus und «Musical Plus» als Trägerverein. Die Protagonisten sind jugendliche Talente aus der Kantonsschule und junge Erwachsene aus der Region. Nach den Aufführungen grosser Broadway-Klassiker in den vergangenen Jahren stand am Donnerstag mit «Made in Dagenham» eine Schweizer Premiere an. Das «eher Unbekannte» gibt dem Musicalerlebnis einen besonderen Reiz. Das Premierenpublikum stellt im Verlaufe des Abends zunehmend fest: Die Thematik ist aktuell und hat nichts von ihrer Dringlichkeit eingebüsst.

Zur Werkhalle umfunktioniert

Die Sporthalle Moosmättili wird im Musical «Made in Dagenham» als Fabrikhalle der Ford-Werke umfunktioniert.

Die Sporthalle Moosmättili wird im Musical «Made in Dagenham» als Fabrikhalle der Ford-Werke umfunktioniert.

Bild: Manuela Jans-Koch (Schüpfheim, 2. 2. 2023)

Die besagte Sporthalle ist zur Fabrikationshalle der Ford-Werke in der englischen Industriestadt Dagenham umfunktioniert. Offensichtlich herrscht da Aufruhr: Spruchbänder und Plakate hängen an den Wänden – «Gleichen Lohn für gleiche Arbeit», steht in grossen Lettern oder «Ihr schuldet uns Respekt», «Ford-Frauen halten zusammen». Auch im Gastrobereich wähnt sich der Besucher in einer Werkhalle. Alte Dieselfässer dienen als Tischablage; grau, weit, nüchtern sind die Wände ausgeschlagen. Dann geht’s auf die Bühne respektive in die eigentliche Produktionshalle.

Gespielt wird auf zwei Ebenen. Die Anordnung sagt es: Unten sind die Näherinnen. Sie produzieren Polster für die Autositze, notabene für die Hälfte des Männerlohns. Die Männer, die das Sagen haben, sind zumeist «oben». Und diese bestimmen gar, dass die Frauen degradiert werden, auf «das Niveau von ungelernten Hilfskräften». Das bringt bei den Frauen das Fass zum Überlaufen. Proteste, Streikaufrufe, schliesslich entsteht ein Flächenbrand. Management, Gewerkschaftsbosse, gar die hohe Politik mit Premierminister Wilson und Arbeitsministerin Castle reagieren erst zynisch, dann zunehmend autoritär und diktatorisch – die Frauen fordern beharrlich «Equal Pay».

Die Frauen entschliessen sich, zu streiken.

Die Frauen entschliessen sich, zu streiken.

Bild: Manuela Jans-Koch (Schüpfheim, 2. 2. 2023)

Neben der fordernden Frauenpower auf der Bühne sind aber noch eine Menge weitere Mosaiksteine in den farbigen Musical-Teppich eingewoben. Die raffinierte Bühnentechnik schafft dabei immer wieder verblüffende Möglichkeiten und Einsichten. So wird etwa sporadisch Einblick ins «traute Heim» und ins Familienleben der nach aussen zunehmend rebellisch auftretenden Rita O’Grady (Lena Ambauen/Eva Schaffner) und ihres Ehemanns Eddie O’Grady (Loris Sikora) mit den Kindern Graham (Jeremias Engel/Jonathan Engel) und Sharon (Lya Scherrer) gegeben. Das Publikum leidet mit, wie die Familie auseinanderdriftet und freut sich, wenn es schliesslich wieder gut kommt. Und dazu gibt es trotz der ernsten Thematik im Musical auch immer wieder Platz für Leichtes, Charmantes, Ulkiges, eingebaute Slapsticks, die schmunzeln lassen.

Die jungen Darstellerinnen und Darsteller überzeugten bei der Premiere auf ganzer Linie.

Die jungen Darstellerinnen und Darsteller überzeugten bei der Premiere auf ganzer Linie.

Bild: Manuela Jans-Koch (Schüpfheim, 2. 2. 2023)

Stimmig bis ins Detail – Leidenschaft überall

Diese fünfte Musicalproduktion im Entlebuch ist in der Tat wiederum grandios. Das Kreativteam mit Silvio Wey (künstlerische Gesamtleitung/Regie), Carlotta Jarchow (Co-Regie), Yvonne Barthel (Choreografie), Esther Bucher (Chorleitung), David Engel-Duss (musikalische Leitung) und den weiteren Verantwortlichen hat überzeugende Arbeit geleistet. Was und wie alles rund um Sprache, Gesang, Bewegung, Tanz, Farbe (Rita Kuster, Kostüme) daherkommt, ist überaus beeindruckend. Das Orchester ist diesmal hinter der Bühne platziert, die 30 jungen Musizierenden legen mal schmissigen Rock ’n’ Roll hin, blasen dann zackig «den Marsch» und umgarnen wiederum anderes fein. Leidenschaft pur wird auf allen Ebenen gelebt.