Startseite
Wirtschaft
Wirtschaft Zentralschweiz
Das bestechende Anfüttern und falsch beantwortete Gretchenfragen sind nicht nur im nördlichen Nachbarland ein Thema. Der Fall Feldmann ist ein geeigneter Anschauungsunterricht und ein Warnsignal. Es geht nicht nur um Skiabos und Reisli.
Ende Dezember 2022 hat das Landgericht Frankfurt den früheren Oberbürgermeister der Stadt, Peter Feldmann, wegen Vorteilsannahme verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Revisionsantrag des Beschuldigten). Gehalt dieses Bestechungsdelikts und Strafrahmen sind in Deutschland und in der Schweiz im Wesentlichen gleich.
Ich habe den Fall verfolgt, weil der Politiker jede Einsicht vermissen liess und überaus peinlich krampfhaft und ohne Scham an seinem Amt festhalten wollte – er wurde krachend abgewählt. Es lohnt sich, einen Blick auf diesen Fall zu werfen. Ich habe mir in der Schweiz nicht nur einmal und auch nicht erst kürzlich konkret bei den Bundesratswahlen die Frage gestellt, ob gewisse Konstellationen schlichtes Anfüttern bedeuten könnten – darum geht es nämlich dabei: sich das Wohlwollen sichern. Die Passivität von Strafverfolgungsbehörden diesbezüglich erstaunt nicht selten. So frage ich mich, was das denn genau sein sollte – die Skipässe zum Spottpreis für Walliser Politiker (wer nimmt so etwas heute noch an!), aber auch «Ämtli» und manch anderes sonst, das zumindest von ausgeprägtem Mangel an Fingerspitzengefühl zeugt.
Das zuständige Gericht sah es jedenfalls als erwiesen an, dass die spätere Frau von Feldmann ohne die dafür nötige fachliche Qualifikation eine Leitungsposition einer Kita erhielt und Privilegien (höheres Gehalt/Dienstwagen), weil die Verantwortliche der Arbeiterwohlfahrt AWO (gegen die Funktionärin läuft auch ein Strafverfahren), welche die Kita betrieb, sich das Wohlwollen des Oberbürgermeisters sichern wollte. Ausserdem sah das Gericht die Straftat als gegeben, weil eben diese Verantwortliche im Wahlkampf Spenden für seine Kampagne gesammelt und ihn darüber informiert hatte. Im Gegenzug habe die AWO stillschweigend das Wohlwollen des Oberbürgermeisters eingefordert. Dieser hatte vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister 2012 bei der AWO gearbeitet. Die «Unrechtsvereinbarung», wie das Gericht sie bezeichnete, begann schon, als die Funktionärin ihm eine Rückkehr an den alten Arbeitsort zusagte für den Fall der Nichtwahl, obwohl er ein schlechter Mitarbeiter gewesen war. Das sei, so das Gericht, «die erste Einzahlung auf das Wohlwollenskonto» gewesen.
In SMS schrieb die AWO-Funktionärin an Feldmann etwa: «Stets konntest du dich auf unsere Unterstützung und Loyalität verlassen, jetzt bauen wir auf dich»; dann wieder: «Gerne werfe ich dir beruflich oder privat einen Stein in den Garten» oder schlicht: «Quid pro quo» (eine Hand wäscht die andere). Er hat darauf reagiert. Mal versprach er ein Treffen oder er führte bewusst ein Gespräch mit einer verantwortlichen Politikerin in einer Theaterpause, lobte darin die AWO als verlässliche Partnerin und forderte sie auf, sich mit der Organisation in einer Kontroverse zu einigen. Das nennt man im Volksmund so nett «Vetternwirtschaft» (es machen aber auch Cousinen mit, wie man weiss). Die Franzosen sprechen von «petits arrangements» und sprechen bildlich von «renvoyer l’ascenseur» statt von Quid pro quo.
Der Vorsitzende Richter sagte bei der Urteilseröffnung einiges, was für Wirtschaft und Politik, für Beamte und Unternehmen allerorten gültig ist – Rechtskraft des Urteils hin oder her. Es geht um die Lauterkeit von Amtsträgern, und schon der Anschein von Käuflichkeit reicht. Man mache sich als Amtsträger leicht strafbar und müsse sich jeweilen überlegen, wie das eigene Tun auf Dritte wirkt, die danebenstehen.
Gerade Personen im Mittelpunkt des staatlichen und wirtschaftlichen Geschehens, den Stützen der Gesellschaft sozusagen, muss das eigentlich klar sein, das mit den «Wohlwollenskonti». Auch Bundesräten und ihrer Umgebung.
Monika Roth ist Professorin und selbstständige Rechtsanwältin.