Eine Umfrage von Axa Investment Managers zeigt die ambivalente Einstellung der Schweizer Bevölkerung zur Pensionierung und zum Vorsorgesystem.
Die Schweizerinnen und Schweizer freuen sich auf den Tag ihrer Pensionierung, und wer bereits im Ruhestand angekommen ist, blickt noch immer mit guten Gefühlen auf den Beginn des dritten Lebensabschnittes zurück. So einhellig positiv, wie die von von Investment Managers befragten Personen das nahende oder zurückliegende Ende ihres Erwerbslebens beurteilen ist die Bevölkerung mit Blick auf das Alter und die Rentenperspektiven aus der zweiten Säule aber nicht eingestellt.
Die elfte repräsentative Umfrage zum Thema, die erstmals nicht telefonisch, sondern online durchgeführt wurde und deshalb mit den Vorjahresergebnissen nur bedingt vergleichbar ist, lässt die grosse Unterschiede zwischen den Einkommensschichten hervortreten und macht deutlich, weshalb sich die Politik mit einer mehrheitsfähigen Rentenreform so schwer tut.
Immerhin herrscht landauf landab grosse Einigkeit darüber, dass eine Altersvorsorge-Reform nötig ist. Doch mit welchen Massnahmen ein Absinken der Renten aus der Pensionskasse am besten zu verhindern wäre beurteilen die Subgruppen aus dem Kreis der befragten 1200 Personen ab 18 Jahren teilweise höchst unterschiedlich.
Die Option länger zu arbeiten wird im oberen Mittelstand und bei steigender Kaufkraft tendenziell neutral bewertet. Menschen aus tieferen Einkommensschichten sehen diese Variante aber negativ. Warum das so ist hat Axa Investment Managers nicht erforscht. Möglicherweise hängt die Differenz damit zusammen, dass Geringverdiener mehr körperliche Arbeit verrichten, sodass sich die ersten Anzeichen von Alterserschöpfung früher bemerkbar machen.
Ähnliche Gründe könnten verantwortlich dafür sein, dass auch die Förderung von freiwilliger Teilzeitarbeit ab 65 in den wohlhabenderen Kreisen der Bevölkerung auf mehr Zuspruch stösst als in den ärmeren Schichten. Während die Möglichkeit die Renten zu senken für diese Gruppe klar nicht in Frage kommt ist die Idee im oberen Mittelstand zwar auch unbeliebt aber dennoch kein klares «No Go».
Diese Divergenz ist nicht weiter überraschend, wenn man sich vor Augen führt, wie die Befragten ihre finanzielle Absicherung im Alter einschätzen. Die tiefste Kaufkraftklasse, die rund 15 Prozent der Bevölkerungs-Stichprobe repräsentiert, bewertet die eigene finanzielle Lage im nach der Pensionierung klar negativ. Mehr als die Hälfte aller Befragten bewertet die Lage lediglich als genügend. Im oberen Mittelstand und in den wohlhabendsten Kreisen wähnt man sich dagegen eindeutig in der Komfortzone.
Vor diesem Hintergrund wird auch klar, weshalb die Hälfte der Befragten die Pensionierung primär mir Geldsorgen assoziieren. Die Gesundheit kommt mit 17 Prozent mit grossem Abstand erst an zweiter Stelle der Sorgen-Liste. Bei 26 Prozent der Befragten steht denn auch die finanzielle Planung im Vordergrund, wenn sie an die Pensionierung denken. Reisen, Hobbys, Freunde, Familie und alle anderen schönen Seiten des Ruhestandes werden in der Planung weit zurückgestellt.
Das alles ist eigentlich nur eine Bestätigung von dem, was die Bevölkerung seit Jahren spürt und bei Urnengängen immer wieder zum Ausdruck bringt: Die Schweiz kann die Versprechungen, die 1985 mit der Einführung des Gesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG), abgegeben wurden nicht mehr erfüllen. Aus jenen Zeiten stammt die Formel, nach der die Rentenbezüge aus der ersten und der zweiten Säule im Verhältnis zum letzten Einkommen für Personen im mittleren Einkommenssegment 60 Prozent betragen sollten.
Schon 2010, als die Bevölkerung den erstmaligen Versuch einer Senkung des Umwandlungssatzes mit über 70-Prozent Nein-Stimmen an der Urne abgeschmettert hatte, lag diese sogenannte Ersatzquote nur noch bei rund 57 Prozent. Bis 2025 könnte sie nach einer Schätzung der Credit Suisse auf nur noch 45 Prozent sinken. Wenig überraschend ist vor diesem Hintergrund auch die Tatsache, dass immer mehr Leute bei der Pensionierung lieber das Kapital aus der Pensionskasse beziehen als sich eine Rente auszahlen zu lassen – ein klares Zeichen, dass das Vertrauen in das Vorsorgesystem erodiert.
Die Eidg. Kommission für berufliche Vorsorge (BVG-Kommission) empfiehlt dem Bundesrat, den Mindestzinssatz in der beruflichen Vorsorge für 2022 bei 1 Prozent zu belassen. Mit dem Mindestzinssatz wird bestimmt, zu wie viel Prozent das Vorsorgeguthaben der Versicherten im BVG-Obligatorium mindestens verzinst werden muss. Unzufrieden mit dem Entscheid sind die Gewerkschaften: Der Gewerkschaftsbund und Travailsuisse hatten in der Kommission für einen höheren Mindestzins plädiert. Vor einem Jahr hatte die BVG-Kommission einen Mindestzins von 0,75 Prozent vorgeschlagen, der Bundesrat hielt aber an 1 Prozent fest. (chm)