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Wie viele tote Amerikaner sind genug? Ein verstörender chinesischer Film begeistert das heimische Publikum

Chinas teuerster Film aller Zeiten ist ein dreistündiges Propagandagefecht gegen die USA. «Die Schlacht um den Changjin-Stausee», angesiedelt im Koreakrieg, bricht dabei alle Rekorde.

Fabian Kretschmer, Peking
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Der chinesische Kinomarkt ist der grösste der Welt (Symbolbild).

Der chinesische Kinomarkt ist der grösste der Welt (Symbolbild).

Karen Zhao / Unsplash

Chinas jüngster Blockbuster ist zwar gespickt mit verstörenden Szenen, doch eine davon lässt den Zuschauer ganz besonders das Blut in den Adern gefrieren. Während sich die Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee – grösstenteils freiwillig eingezogene Bauern – auf den bevorstehenden Kampf gegen die technisch überlegenen US-Truppen vorbereiten, fragt einer der Protagonisten: «Wie viele Amerikaner muss ich töten, um ein Held zu sein? Zwei?». Die stoische Antwort seines Vorgesetzten lautet: «Häng nochmal eine Null dran».

Man mag dies als reine Popcorn-Ware abtun, doch damit würde man dem historischen Kriegsfilm «Die Schlacht um den Changjin-Stausee» nicht gerecht. Schliesslich ist er nicht nur mit geschätzt 200 Millionen Dollar Kosten die bisher teuerste Produktion in der Kinogeschichte des Landes. Der Film ist auch grösstenteils vom Staat und dem Militär finanziert – und wird zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, an dem ein tatsächlicher Krieg zwischen den zwei Grossmächten der Welt erstmals wieder denkbar scheint.

Drei Stunden Anti-Amerikanismus

Die Handlung ist schnell erzählt: «Die Schlacht um den Changjin-Stausee» ist während des Koreakriegs (1950-53) angesiedelt, doch das reale Setting dient lediglich als Propaganda-Kulisse. Erstaunlicherweise wird in den knapp drei Stunden kein einziger Koreaner gezeigt, weder aus dem Norden noch aus dem Süden. Stattdessen wird die historische Schlacht vor allem als Vorwand dafür genutzt, um auf knapp drei Stunden anti-amerikanische Emotionen hochkochen zu lassen.

Dabei eignet sich diese kaum zur Heldengeschichte: Zwar hat die 9. Armeegruppe der Volksbefreiungsarmee die technisch hauchhos überlegenen US-Streitkräfte tatsächlich zum Rückzug gezwungen. Doch schlussendlich starben bei dem Konflikt weit über 50000 Chinesen, darunter knapp 30000 einen bitteren Kältetod aufgrund zweistelliger Minusgrade. Genau das inszenieren die Regisseure allerdings wenig subtil zum heroischen Akt: Die Grundbotschaft des Films lautet, dass es gut ist, sein Leben fürs Vaterland zu opfern.

Der FIlm ist ein Kassenschlager

Auf Chinas sozialen Medien kommt dies offensichtlich gut an: «Es ist beeindruckend zu sehen, wie die freiwilligen Truppen am Changjin-See erfroren sind, während sie weiterhin in Angriffshaltung verharrten», schreibt ein Nutzer. «Ich konnte nicht anders als die ganze Zeit zu weinen, aber an diesem Punkt brach ich regelrecht in Tränen aus» meint ein anderer.

Auch die Ticketverkäufe legen nahe, dass der Blockbuster den Zeitgeist der Chinesen trifft: Nach fünf Tagen hat der Film bereits über 310 Millionen Dollar eingespielt. Insgesamt soll das Werk laut der Parteizeitung Global Times gleich am ersten Tag «zehn Kassenrekorde» gebrochen haben, darunter die höchsten Einspielergebnisse am Premierentag.

China zensiert streng

Natürlich kann man einwenden, dass auch Hollywood in seiner Historie immer wieder kriegsverherrlichende Blockbuster abgedreht hat, in denen die historischen Gegner auf faschistoide Weise entmenschlicht wurden: Die Fortsetzungen der Rocky-Serie dienen als gutes Beispiel, oder aber auch das katastrophale «Pearl Harbor» (2001) von Michael Bay. Doch in einem Land wie China, in dem selbst Strassenmusiker jedes Lied im Vorhinein vom Kulturbüro genehmigen lassen müssen, sollte man beim teuersten Film in der Geschichte wohl jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Wie die Zensur unter Staatschef Xi Jinping funktioniert, erklärt eine junge Filmproduzentin aus Peking: «Wenn wir Inhalte kreieren, gibt es immer ein Büro, das Überarbeitungen des Skripts und Nachdrehs anordnet, oder gar das ganze Projekt streichen kann. Es gäbe extrem viele Regeln darüber, «was wir in unseren Geschichten nicht zeigen dürfen».

Ein gelungener Kriegsfilm?

Und trotz der selbstkritischen Innensicht hält sie, die wohlgemerkt in den USA studiert hat, «Die Schlacht um den Changjin-Stausee» für gelungen: «Ein historischer Film muss immer den aktuellen internationalen Gegebenheiten angepasst werden, auch der Stimme der Regierung entsprechen und vor allem sollte er das nationale Selbstbewusstsein stärken».

Das ist auch in der Tat gelungen, und zwar auf handwerklich höchstem Niveau. Mit Chen Kaige («Lebewohl, meine Konkubine»), Tsui Hark und Dante Lam sass die creme de la creme chinesischer Filmemacher auf den Regie-Stühlen, die allesamt noch in den Nullerjahren bei Festivals in Cannes und an der Lido hofiert wurden.

China ist der grösste Kinomarkt der Welt

Nicht zuletzt ist «Die Schlacht um den Changjin-Stausee» eine wirtschaftliche Machtdemonstration der Chinesen. Seit Jahren bereits ändert schliesslich Hollywood seine Drehbücher, um die chinesischen Zensoren nicht zu verprellen. In «Skyfall» wurden etwa die Kampfszenen James Bonds gegen asiatisch aussehende Männer herausgeschnitten und in «Iron Man 3» der ursprüngliche Bösewicht adaptiert. Jede noch so subtile Kritik kann dazu führen, dass ein Release in der Volksrepublik verweigert wird. Die Produzenten in China hingegen müssen keinerlei Rücksicht nehmen: Seit letztem Jahr ist ihr Kinomarkt der grösste der Welt, während Exporte keine Rolle spielen.

Vielleicht bleibt das zumindest ein tröstender Gedanke: Mit Werken wie «Die Schlacht um um den Changjin-Stausee» wird China in Sachen «soft power» international keinen Boden gutmachen können. Die Meister des Kulturexports ist dafür ein kleiner Nachbarstaat: Südkorea kreiert seit Jahren Kinofilme, Serien und Popmusik, die rund um die Welt mit Begeisterung konsumiert werden. Auch «Squid Game», die derzeit erfolgreichste Streaming-Serie, stammt aus Korea, produziert wurde sie vom US-amerikanischen Netflix.