Die Ukraine-Reise der Nationalratspräsidentin gibt zu reden – und zeigt vor allem eines: Krieg ist noch immer eine Männerdomäne.
Irènes Kälin Ausflug nach Kiew ist zweifelsohne die «Reise des Jahres». Dass sich die Medien auch noch eine Woche später darüber ereifern, beweist zweierlei, Frau Kälins Wirken ist wirklich nachhaltig und – für unsere Branche noch viel wichtiger – die Schweizer Medien sind doch nicht so staatsgläubig, wie während der Pandemie behauptet. Zumindest diejenigen, die nicht in Kiew waren. An vorderster Front der Tagi, der als erstes über die «Mission Kälin» lästerte, gefolgt von der NZZ, die fast belehrend darauf hinwies, dass eine Ukrainereise kein Skirennen sei.
Umso euphorischer die Ringier-Medien, die den Trip der grünen Nationalratspräsidentin mit dem hauseigenen Blick-TV begleiteten und damit dem genialen Slogan «Blick ist dabei» zu neuem Glanz verhalfen. Embedded Journalismus von der Dufourstrasse. Dass dabei Kälins Lebenspartner, die Ringier-Allzweckwaffe Werner de Schepper, mitgewirkt habe, ist eine böse Unterstellung. Dass ihn aber die NZZ noch immer als «Chefredaktor der ‹Schweizer Illustrierte›» tituliert, obwohl längst in anderer Funktion, ist handfester Beweis, dass sich die einzige Schweizer Weltzeitung primär um die grossen Linien kümmert.
Zu guter Letzt noch die «Weltwoche», die bereits jetzt orakelt, ob sich Kälin mit dieser Reise ihre Chancen auf den Einzug in den Bundesrat verspielt habe. Vielleicht etwas gar früh, haben die Grünen doch noch keinen Sitz in der Landesregierung. Was wir aber lernen: Wenn jemand eine Reise tut, gibt es wirklich etwas zu erzählen. Während die deutschen Medien Oppositionsführer Friedrich Merz nach seiner Selenski-Visite als mutig feierten, wurde Kälin hierzulande als Egomanin kritisiert. Was bei allem Frauenpower zeigt, Krieg ist noch immer Männersache.