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Die traditionsreiche Firma Pasta Premium verkauft ihre Bschüssig-Produkte neu in Papierverpackungen statt wie bisher in Plastikbeuteln. Auch Firmen wie Nestlé reagieren. Doch ist Papier wirklich immer besser?
Von Mehl und Zucker ist man es sich gewohnt: Die beiden Nahrungsmittel stehen seit jeher in einer Papierverpackung im Regal. Doch bei Teigwaren ist das anders. Abgesehen von Ausnahmen wie Barilla, die auf Karton setzen, ist die Mehrheit an Spaghetti, Hörnli und Penne in Plastik abgepackt. So auch bisher jene des grössten unabhängigen Teigwaren-Herstellers der Schweiz, Pasta Premium mit Sitz in Frauenfeld TG. Zu seinen Marken gehören Bschüssig, Ami, Ernst und La Chinoise, die es bei Volg, Spar und in Coop-Megastores gibt.
Doch nun hat der Schweizer Pasta-König umgesattelt. «Vor einigen Wochen haben wir unsere neuen Verpackungsmaschinen in Betrieb genommen», sagt Geschäftsführer und Inhaber Beat Grüter. Als erster einheimischer Teigwaren-Hersteller verkauft er rund 30 Sorten seiner Bschüssig-Linie in Papier statt Plastik, mit Ausnahme der Spaghetti, die auf einer anderen Anlage produziert werden.
Für diese Umstellung habe er rund eine Million Franken investiert, sagt Grüter. Er wolle damit zur Nachhaltigkeit beitragen. Schliesslich vermeide er nun einen jährlichen Plastikabfallberg von rund 25 Tonnen. Es sei aber auch eine Redaktion auf die stärker geführte Mikroplastik-Debatte. Denn in den bisherigen Verpackungen kommen die Produkte mit dem Plastik in Kontakt. In Bezug auf die Haltbarkeit der Teigwaren habe das Papier keine Auswirkung.
Grüter bezieht das Papier für die neuen Verpackungen allerdings nicht aus der Schweiz, sondern aus Finnland. «Aus gutem Grund», sagt Grüter. «Denn momentan gibt es diese spezifische Papierqualität in der Schweiz nicht.» Das Papier müsse einen bestimmten Weichheitsgrad aufweisen, aber gleichzeitig stark genug sein, damit es nicht reisse.
Und was sagt die Migros zur Strategie Papier statt Plastik? Schliesslich stellt nur ihre Industrie-Tochter Jowa mehr Teigwaren in der Schweiz her als Pasta Premium. Man prüfe den Einsatz von Papierverpackungen für verschiedene Produkte, sagt ein Sprecher auf Anfrage, ohne zu sagen welche infrage kommen. Wichtig sei es für die Migros, das Thema ganzheitlich zu betrachten, um die ökologisch sinnvollste Lösung zu finden. So sei die Reduktion von Plastikverpackungen nur eine von mehreren wichtigen Stossrichtungen. «Denn nicht alle Produkte können in Papier verpackt werden.» So würde ein Joghurt im Papier-Becher kaum allzu lange überleben.
Die Migros wolle möglichst viel rezykliertes Material bei den Verpackungen verwenden, sagt der Sprecher. Als Beispiel nennt er Mineralwasser- und Sirupflaschen, die aus sogenanntem rPET hergestellt werden. Ziel sei es, für jedes Produkt die Verpackung mit der besten Umweltbilanz zu verwenden, von der Herstellung bis zur Entsorgung. Denn: «Häufig schneiden Verpackungen aus Plastik besser ab, als solche aus alternativen Materialien.»
Zudem setze man auf Mehrweg- und wiederauffüllbare Verpackungen. Zuletzt hat die Händlerin angekündigt, vermehrt Abfüllstationen in den Supermärkten zu installieren für Nüsse und Waschmittel, aber auch Teigwaren.
Der Migros-Sprecher räumt aber ein, dass bei der Verpackungswahl auch der optische Eindruck eine Rolle spielt. Heisst: Die Kundschaft möchte sehen, was drinsteckt. Das ist mit durchsichtigen Plastikfolien möglich, bei Papier hingegen nicht. Bei Zucker und Mehl sei die Sichtbarkeit hingegen weniger wichtig, und in Plastik würden diese beiden Produkte wegen ihres Feuchtigkeitsgehalts schimmeln.
Coop bezieht die Teigwaren seiner Marke Pasta Gala seit einigen Jahren aus dem günstigeren Ausland. Die eigene Fabrik in Morges VD wurde 2014 geschlossen. Auf Papierverpackungen setze man aber vermehrt bei Früchten und Gemüse. So bestünden viele Kartoffel-Verpackungen aus nachhaltig produziertem Papier und einem Zellulosenetz als Sichtfenster. Und gewisse Äpfel und Tomaten werden in Schalen aus so genanntem Graspapier verpackt.
International hat sich zuletzt der Waadtländer Nahrungsmittelmulti Nestlé als Papier-Vorreiter in der Lebensmittelindustrie erwiesen, wenn auch noch auf bescheidenem Niveau. Und auch, weil Nestlé zu den weltweit grössten Plastik-Abfallverursachern gehört. Kürzlich lancierten die Westschweizer Smarties-Schokolade in Papier-Verpackung – eine Premiere für eine internationale Süsswaren-Marke. Zuvor erhielten auch Produkte von Maggi, Kitkat, Nesquik und Nescafé ein Papierkleid.
In Lausanne betreibt Nestlé denn auch das «Institute of Packaging Sciences», wo rund 50 Wissenschafter Papier als sicheres und robustes Verpackungsmaterial weiterentwickeln möchten, das den Inhalt beschützt.
Die Umweltorganisation Greenpeace Schweiz gibt sich angesichts der Industrie-Bemühungen allerdings nicht zufrieden. Sie spricht von einer Scheinlösung. «Eine Umstellung von Einwegverpackungen aus Plastik auf Papier oder andere Materialien ist kein Ausweg aus der Krise», sagt Zero-Waste-Experte Matthias Wüthrich. Denn die Nachfrage nach Papier-Verpackungen könne durch rezykliertes Papier nicht gedeckt werden. Somit führt der erhöhte Bedarf zu vermehrter Abholzung und einer geringeren Biodiversität.
Einfach gesagt: Im eins-zu-eins-Vergleich ist Papier umweltfreundlicher als das Erdöl-Produkt Plastik. Doch stellt die gesamte Industrie plötzlich auf Papier um, fallen diesem Wandel zu viele Bäume zum Opfer.
«Nahrungsmittelhersteller wie Néstle sowie der Detailhandel müssen radikal umstellen», sagt Wüthrich. Die Lösung seien Mehrweg-Verpackungen und Wiederauffüll-Stationen. Die Menge an Plastik- und anderen Einwegverpackungen müsse massiv reduziert werden. «Nur so schützt man die Umwelt vor Plastikabfall und das Klima vor Überhitzung.» Das Problem: Laut einer aktuellen Branchenstudie haben die Unternehmen diesbezüglich nahezu keine Fortschritte erzielt.
Vor einem Jahr herrschte Panik: Zahlreiche Kunden räumten in Supermärkten die Regale leer, da Angst herrschte, die Lebensmittel könnten in der Pandemie ausgehen. Pasta Premium spürte den Run auf lang haltbare Produkte. Die Thurgauer Firma produzierte im März drei Mal so viele Teigwaren wie sonst (diese Zeitung berichtete). Die Anlagen waren Tag und Nacht in Betrieb. «Von dieser Panik spürten wir beim zweiten Lockdown fast nichts mehr», sagt Geschäftsführer Beat Grüter. Der Boom vom März 2020 habe aber immerhin die Ausfälle des Gastronomie-Geschäfts ausgleichen können. Dort betrug das Minus im vergangenen Jahr knapp 40 Prozent. Insgesamt verbuchte Grüter 2020 ein Umsatzplus von 10 Prozent.
Benjamin Weinmann