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Der wichtigste Grund für Richemonts Mühe in den vergangenen Jahren lag vor allem an der gedämpftem Reise- und Kauffreude der Chinesen. Darunter litt zwar die ganze Branche, aber Richemont traf es besonders heftig. Doch jetzt zeigt sich wieder ein Wachstum.
Der Abgang von Georges Kern, dem Chef der Uhrensparte von Richemont, führte im Juli in der Branche zu heftigen Spekulationen. Wie konnte es sein, dass der bestens vernetzte Manager den Bettel hinschmeisst und bei der weitaus kleineren Breitling einsteigt? Kern, der aus der zu Richemont gehörenden Marke IWC in Schaffhausen in nur wenigen Jahren ein rentables Po- werhouse gezimmert hat. Gab es ein Zerwürfnis mit Johann Rupert, Verwaltungsratspräsident und Richemont-Haupteigentümer? Griff Kern nach dem CEO-Posten, der seit dem Abgang von Richard Lepeu verwaist war?
Tatsache ist: Richemont, zu dem neben IWC Marken wie Jaeger-LeCoultre, Cartier oder Montblanc gehören, hatte in den vergangenen Jahren Mühe. Der wichtigste Grund war vor allem die gedämpfte Reise- und Kauffreude der Chinesen. Darunter litt zwar die ganze Branche, aber Richemont traf es besonders heftig. Nachdem die Anti-Korruptionskampagne der chinesischen Führung und der erstarkte Dollar bereits die Geschäfte in Hongkong geschwächt hatten, brachen mit den Terroranschlägen in Paris und Brüssel auch noch die Verkäufe in Europa weg. Hinzu kam der Hype um die Smartwatches von Apple. Die Uhrenexporte sanken auf ein kritisches Niveau.
An der obersten Spitze von Richemont kam es in der Folge zu einem eigentlichen Aderlass. Kern und zuvor Lepeu waren nicht die Einzigen, die das Unternehmen verliessen. Kaum eine Top-Marke — sie werden Richemont-intern «Maisons» genannt — kam ungeschoren davon. Nach wie vor hat das oberste Management keinen obersten Chef.
Gespannt war man, wie sich die neue Struktur auf die Verkäufe auswirken würde. Gestern legte die Compagnie Financière Richemont, wie das Unternehmen richtig heisst, Zahlen für die ersten fünf Monate des Geschäftsjahres 2017/2018 vor, die die Beobachter mehr als nur überrascht hat. Anlass der Publikation der Zahlen war die gestern abgehaltene Generalversammlung der Gruppe, an der – kaum verwunderlich – alle Anträge des Verwaltungsrats abgesegnet wurden.
Bis Ende August stiegen demnach die Verkäufe um 12 zu konstanten Wechselkursen und um 10 Prozent in Landeswährungen. Gemäss Richemont hat das Wachstum bereinigt um die bekannten Lagerrückkäufe in der Vorjahresperiode in Landeswährungen 7 Prozent betragen. Besonders stark gewachsen sind die Verkäufe in Asien und geglänzt haben vor allem die Schmuckmarken, wie Cartier oder Van Cleef & Arpels. Wie die Analysten der ZKB schreiben, ging man in diesem Bereich von einem schwächeren Wachstum aus. Nach wie vor schwach ist das Wachstum in Europa.
In einer Studie haben die Analysten der US-Investmentbank Morgan Stanley Richemont in den höchsten Tönen gelobt: Während die Uhrensparte noch unter strukturellen Problemen zu kämpfen hätte, sprechen sie bei Cartier von der besten Produktepalette der vergangenen zehn Jahre. Eine, die es locker mit Giganten wie Louis Vuitton aufnehmen könnten.
Die Änderungen an der Spitze von Richemont zeigen Wirkung. Der Konzern setzt zurzeit vor allem auf Einnahmen bei der Schmucksparte. Dass hier ein Georges Kern, wäre er bei der Uhrensparte geblieben, eine weniger prominente Rolle gespielt hätte, darf zu Recht angenommen werden.