Jugendwahn beim Schweizer Fernsehen?

Nach dem Abgang von Daniela Lager soll das «10 vor 10»-Team jünger und schöner werden – nicht alle beim SRF finden das gut.

Sacha Ercolani
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Patrizia Laeri könnte das News-Team beim Schweizer Fernsehen deutlich verjüngen. Foto: SRF

Patrizia Laeri könnte das News-Team beim Schweizer Fernsehen deutlich verjüngen. Foto: SRF

Schweiz am Wochenende

In den kommenden Wochen will man sich beim Schweizer Fernsehen (SRF) entscheiden, wer Anfang 2017 die Nachfolge von «10 vor 10»-Moderatorin Daniela Lager (52) antritt. Mit Lager im Team liegt der Altersdurchschnitt der Sprecher und Sprecherinnen bei «10 vor 10» und der «Tagesschau» derzeit bei 46,1. Im internationalen Vergleich sind die Schweizer News-Aushängeschilder somit schon jetzt jünger als die von Sendern wie der ARD (48,3), dem ZDF (53,8) oder beispielsweise des US-Nachrichtensenders CNN (47,2). Jung, attraktiv und weiblich – so ist auch künftig das Beuteschema der Chefetage des Schweizer Fernsehens: TV-Chefredaktor Tristan Brenn (50) will gemäss kursierenden Gerüchten mit dem ehemaligen Hobby-Model Patrizia Laeri (38, Oekonomin) das News-Team ab 2017 noch einmal deutlich verjüngen.
Am Hauptsitz im Leutschenbach stören sich vor allem ältere SRF-Stars am derzeit herrschenden Verjüngungswahn der TV-Macher. Auch für den langjährigen Tele-Züri-Chef Markus Gilli (61) ist dies der falsche Weg: Es zeige sich gerade in diesen Tagen die Wichtigkeit der TV-News und der Moderation, so Gilli. «Ich habe letzte Woche die Live-Berichterstattung über den Amoklauf von München auf vielen Kanälen verfolgt. Da braucht es nicht einfach ein schönes Gesicht – Können, Erfahrung, Kompetenz sind gefragt», fordert der Zürcher TV-Profi. «Die Moderation von Nachrichten ist kein Modelwettbewerb und unterliegt schon gar nicht dem Jugendwahn. Kompetenz, Erfahrung, Sachwissen, Empathie und die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu vermitteln. Für mich das alleinige Anforderungsprofil. Gegen Falten gibt es Make-up, Unwissenheit und Naivität können nicht überschminkt werden. Wolf Blitzer CNN (68), Petra Gerster ZDF (61), Klaus Kleber ZDF (60), Thomas Roth ARD (64) – sie haben diese Glaubwürdigkeit, die für die Moderation von News Grundvoraussetzung ist.
«Das Alter ist sekundär»
Dass ältere Mitarbeiter automatisch auch mehr Fachkompetenz mitbringen, erfahrener Studio-Interviews führen, besser präsentieren und beim TV-Publikum angeblich gefragter sind, dafür hat man beim SRF kein Gehör: «Bei ‹Tagesschau› und ‹10 vor 10› sind journalistische Qualität, Erfahrung und Glaubwürdigkeit sowie Kameratauglichkeit die wichtigsten Kriterien bei der Besetzung der Moderationsstellen. Das Alter ist sekundär», sagt SRF-Sprecher Stefan Wyss. «Ein Arthur Honegger oder ein Florian Inhauser mögen jünger sein als ausländische Kollegen. Sie haben aber als langjährige Auslandkorrespondenten und Krisenreporter eine reiche journalistische Erfahrung, die sie für diese Position qualifiziert.» Schliesslich haben Stars wie der beliebte ARD-Sprecher Jan Hofer (65) auch früh eine Chance erhalten: Seit er 31 Jahre jung ist, also seit 1985, moderiert er die «Tagesschau»-Hauptausgabe. In Amerika ist das ebenfalls so, der ehemalige CNN-Kult-Moderator Larry King (82) durfte beim Sender WLBW (Channel 10) in Miami schon als 26-Jähriger die Nachrichten präsentieren.
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