Das Handwerk von der Pike auf gelernt
«Ich bin digital – so viel wie nötig, so wenig wie möglich»

Paul Kramer ist 1965 geboren, hat die Sekundarschule besucht und von 1981 bis 1985 eine Lehre als Werkzeugmacher bei der Jehle AG in Etzgen absolviert. Eine Berufslehre notabene, die es heute – in dieser Form nicht mehr gibt, und in der von Hand gefräst, gefeilt und gesägt wurde – Maschinen wurden damals mit Lochstreifen gesteuert. Wie findet er sich in der digitalen Welt zurecht?

Helen Dietsche
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Paul Kramer und Alicia, KV-Lernende, 3. Lehrjahr, am PSI: «Wir helfen uns gegenseitig – das funktioniert prima.»

Paul Kramer und Alicia, KV-Lernende, 3. Lehrjahr, am PSI: «Wir helfen uns gegenseitig – das funktioniert prima.»

Zur Verfügung gestellt

Seit 30 Jahren arbeitet Paul Kramer im Paul Scherrer Institut in Villigen PSI und ist dort seit acht Jahren Leiter der Berufsbildung. 102 Lehrlinge in 15 verschiedenen Berufen sorgen für einen abwechslungreichen Arbeitsalltag.
Schritt in die Berufswelt
Schon als Jugendlicher hat Paul Kramer gemerkt, dass ihn eine staubige Umgebung belastet: «Mich kratzte es im Hals, mir brannten die Augen und ich musste niesen.» Eine Schnupperlehre als Schreiner bestätigte sein Gefühl und er sah sich weiter nach einem passenden Beruf um. Sein damaliger Nachbar war Mechaniker und ein richtiger «Töfflibueb». «Mich hat beeindruckt, wie er Töffli frisieren konnte und das war ausschlaggebend für meine Berufswahl.» Als Sohn einer Bauernfamilie war damals an ein Studium nicht zu denken. Aber: «Es war nicht nur die finanzielle Situation, die weiterführende Schulen verunmöglichte, sondern auch meine vielen anderen Interessen, besonders das Fussballspielen. Ich war lange Zeit der Überzeugung, dass ich bis zu meiner Pensionierung in der Werkstatt arbeiten werde. Doch es kam anders: Berufsbegleitend absolvierte ich mit 23 Jahren das Handelsdiplom, besuchte anschliessend die Höhere Fachschule, Richtung Maschinenbau, und erwarb das Diplom zum eidg. diplomierten Erwachsenbildner.»
Menschen statt Maschinen
Könnte Paul Kramer seinen erlernten Beruf heute noch ausüben? «Von der Fingerfertigkeit her sicher, aber ich habe grossen Respekt vor den Maschinen, den Drehbänken mit hohen Tourenzahlen, überhaupt die ganze Digitalisierung in der Werkstatt würde mich überfordern.» Keiner seiner ehemaligen Berufskollegen steht noch an der Werkbank. Grund dafür sieht Kramer darin, dass man mit zunehmendem Alter merkt, wo die eigenen Fähigkeiten liegen und was einem Spass macht. «Heute haben wir im Vergleich zur Generation unserer Eltern die Möglichkeit, uns beruflich zu verändern.

«Wer hoch hinaus will, braucht ein sicheres Fundament, eine solide Ausbildung.»

Ich zum Beispiel habe erkannt, dass ich viel lieber mit Menschen als mit Maschinen arbeite, und mir die nötigen Kompetenzen angeeignet. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass eine Berufslehre der richtige Einstieg ins Berufsleben ist. Deshalb arbeite ich hier und unterstütze die vielen Jugendlichen gerne auf ihrem beruflichen Weg. In Sachen Digitalisierung sind sie mir überlegen, meine Berufserfahrung macht das jedoch wett.»
Von analog zu digital
«Den digitalen Wandel habe ich sehr widerwillig akzeptiert. Was ich in der digitalen Welt brauche, besitze ich, alles andere interessiert mich weniger. Und wenn es bei mir an digitalem Wissen fehlt, habe ich viele junge Menschen um mich herum, die mir gerne zeigen, wie flott ihnen diese Themen von der Hand gehen. Ich gehöre zur letzten Generation, die analog aufgewachsen ist. Wir hatten ein Haustelefon und wenn niemand zu Hause war, gabs keine Nachricht auf der Comebox und auch keine Anrufe in Abwesenheit. Die heutigen Erwartungen an die Erreichbarkeit überschreiten meine persönliche Grenze – privat nehme ich mir die Freiheit, nicht jederzeit verfügbar zu sein.» Es gibt auch andere Momente, da wünscht Paul Kramer sich die Zeit ohne Smartphones zurück. Zum Beispiel beim gemütlichen Zusammensein mit Freunden und Familie: «Smartphones auf dem Tisch sind mir ein Gräuel. Ständig werden Nachrichten gecheckt, News gelesen – so kann doch kein richtiges Gespräch entstehen.»