Weil Jean-Pierre Nsame gesperrt ist, heisst der YB-Hoffnungsträger gegen Leverkusen Jordan Siebatcheu.
Die Sonne scheint in das Wankdorfstadion, das Training ist seit ein paar Minuten beendet. Jordan Siebatcheu kommt frisch geduscht und gut gelaunt aus dem Stadiontunnel, die Schutzmaske verbirgt ein Lächeln. Später wird er sagen, er sei bereit für das grosse Highlight, das am Donnerstag ansteht. Druck verspüre er keinen, Freude dafür umso mehr. Es geht gegen Leverkusen im Hinspiel der Sechzehntelfinals der Europa League. Endlich wollen die Berner, die in der Schweiz allen Teams entrückt sind, zu europäischen Höhenflügen ansetzen.
Da passt der Spitzname des Hoffnungsträgers ganz gut. «Air Jordan» wird er auch genannt, in Anlehnung an Michael Jordan. Und wie die Basketballlegende spricht man auch bei Siebatcheu «Jordan» englisch aus. Geboren ist der 24-Jährige nämlich in Washington, wo Verwandte noch immer leben. Aufgewachsen ist er aber in Frankreich, die Familie stammt aus Kamerun. Der Mann mit den drei Nationalitäten soll Ligatopskorer Jean-Pierre Nsame in diesem Duell gegen Leverkusen ersetzen, der gesperrt fehlt.
Dass Siebatcheu den letztjährigen Torschützenkönig durchaus vergessen machen kann, hat er schon mehrfach bewiesen. In den letzten fünf Startelfeinsätzen erzielte er unglaubliche acht Treffer, seine Schussquote ist besser als die von Nsame. Das Spiel gegen Leverkusen sei eine schöne Möglichkeit, sagt Siebatcheu auf Französisch. «Das Ziel ist es aber, als Team zu überzeugen. Wir möchten gewinnen.»
Siebatcheu ist inzwischen angekommen bei YB, obwohl der 24-Jährige nach seinem Transfer in die Schweiz im September Eingewöhnungszeit benötigte. «Ich musste mich an das Team und die Spielweise anpassen», sagt er. «In Rennes war das Spiel taktischer, geordneter und ein bisschen ruhiger, hier bei YB ist es enorm intensiv und körperlich. Hier muss man immer Vollgas geben.» In den ersten 17 Einsätzen zeigte der Stürmer zwar gute Ansätze, traf das Tor aber nicht. Auch, weil er meistens von der Bank kam. Noch immer hat er als Joker im YB-Trikot nicht gejubelt.
In Bern gelandet ist Siebatcheu, weil die Karriere des 190 Zentimeter langen Stürmers ins Stocken geraten ist. In seiner Heimat bei Stade Reims war noch alles gut gewesen, dort hatte er in der Aufstiegssaison seines Vereins als Torjäger brilliert. Er traf in der zweiten Liga 17 Mal und wurde damit interessant für grössere Vereine. «Natürlich wusste ich, dass ich nicht immer in Reims spielen kann. Und als das Angebot von Rennes kam, wollte ich den nächsten Schritt machen.»
Beim grösseren «Stade» war der Konkurrenzkampf grösser. Er durfte zwar hin und wieder ran, insgesamt 44 Mal in zwei Saisons, richtig durchsetzen konnte er sich aber nicht. Seinen vorerst letzten Einsatz für Rennes absolvierte er im Februar 2020 – ausgerechnet in Reims. Wenn er über seine Heimatstadt Reims spricht, dann wird die Verbundenheit greifbar. «Da sind meine Freunde, da bin ich aufgewachsen, bin in die Schule gegangen, da habe ich so viel erlebt.»
Nachdem sein fussballerischer Stern in Reims aufging, wurde er zunächst für die französische U21-Nationalmannschaft und später für das A-Nationalteam der USA interessant. Das Aufgebot der Amerikaner lehnte er ab. «Ich habe da gerade zu Rennes gewechselt und wollte mich im neuen Team einleben. Zudem hätten die Länderspiele zu jenem Zeitpunkt viele Reisen bedeutet.» Würde wieder ein Aufgebot kommen, er nähme es diesmal an. «Mein Traum ist es, für eine meiner Nationen auflaufen zu dürfen. Und egal für welche, die Emotionen wären gross.»
Und wie sieht die Zukunft auf Klubebene aus? Der Stürmer weiss es selber nicht. YB hat ihn von Rennes ausgeliehen, besitzt eine Kaufoption, die bei 2,5 Millionen Franken liegen soll. «Ich denke, im März oder im April werden Gespräche stattfinden», sagt Siebatcheu. «Für mich geht es darum, Spiel für Spiel zu nehmen und zu schauen, dass wir weiter gewinnen.» Am liebsten auch gegen Leverkusen.