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Die Japanerin Naomi Osaka (WTA 19) gilt als Zukunft des Frauen-Tennis. Im Final der US Open trifft sie auf ihr Vorbild: Serena Williams.
Während die Aufgabe bei den Männern denkbar einfach ist, beissen sich selbst eingefleischte Tennis-Fans bei der Frage nach den letzten Siegerinnen bei Grand-Slam-Turnieren die Zähne aus. Sieben verschiedene Siegerinnen gab es seit Anfang 2017. Damals, als Serena Williams schwanger ihren 23. und bis dato letzten Major-Titel gewann und danach eine einjährige Pause einlegte.
Seit ihrer Rückkehr hat sie zwar noch nicht zur alten Konstanz zurückgefunden, steht aber nach Wimbledon bereits zum zweiten Mal in Folge im Final eines Major-Turniers. Wie sehr sie dem Frauen-Tennis gefehlt hat, zeigen auch die Debatten, welche die 36-Jährige auslöst. Es geht dabei um Frauenrechte, ihren Kampf gegen Rassismus, neu auch um die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Spitzensport und jüngst im weiteren Sinne auch um Sexismus, als der französische Verbandspräsident Bernard Giudicelli drei Monate (!) nach Williams’ viel beachtetem Auftritt bei den French Open sagte, dass Kleidung wie der schwarze, eng anliegende Einteiler, den die 23-fache Grand-Slam-Siegerin dort trug, bei den French Open künftig nicht mehr toleriert würden.
Williams hatte damals gesagt, sie fühle sich darin wie «Superwoman». Es ist bezeichnend, dass es ausgerechnet sie war, die mit einer modischen Extravaganz vom Grunddilemma des Frauen-Tennis ablenkte: Zwar ist die Leistungsdichte vielleicht so hoch wie noch nie, aber es fehlt eine echte Hierarchie. Das ist darum ein Problem, weil der Sport seine Faszination im Wesentlichen aus Gegensätzen, Rivalitäten und einem im Kern einfachen Narrativ bezieht: Gross gegen klein, extravagant gegen bieder, bescheiden gegen selbstbewusst. Es ist nicht so, dass es an Anwärterinnen für diese Rolle mangeln würde, doch keine von ihnen hat bisher die Konstanz an den Tag gelegt, um sich nachhaltig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu spielen. Auch Naomi Osaka nicht.
Doch vieles deutet darauf hin, dass die Japanerin in den nächsten Jahren eine prägende Kraft sein wird. Die 20-Jährige wurde, zusammen mit ihrer um zwei Jahre älteren Schwester Mari, von ihrem Vater nach dem Vorbild von Serena und deren Schwester Venus modelliert. Wie Williams ist sie kräftig, mit 1,80 Metern gross und damit für ein druckvolles Spiel prädestiniert. Kommt hinzu, dass ihr Trainer, der Deutsche Sascha Bajin, zuvor während Jahren engster Vertrauter von Serena Williams war. Zwar besitzt Osaka, die im März in Indian Wells ihren ersten Titel gewann und in der Woche darauf in Miami das bisher einzige Duell mit ihrem einstigen Vorbild Williams mit 6:3, 6:2 gewann, den japanischen Pass, doch die Beziehung zum Heimatland ist ambivalent.
Osaka, und das ist kein Witz, kam in der japanischen Grossstadt Osaka zur Welt, lebt aber seit ihrem dritten Lebensjahrin New York. Die Mutter ist Japanerin, der Vater aus Haiti. Sie waren emigriert, nachdem die Familie mit der Mutter gebrochen hatte, weil diese mit einem schwarzen Mann liiert ist. Als sie zu ihrem Verhältnis zu Japan befragt wurde, gab Osaka sich vage. Nur, um später gegenüber den Amerikanern in Englisch auszuholen. Sie freue sich auf das Turnier in Tokio im Herbst. «Wenn ich nach Japan reise, gehe ich nicht nach Hause, sondern in ein Land, in dem ich wunderbare Ferien verbringe.» Fragen wie diese dürften sich häufen, sollte Osaka die US Open gewinnen. Sie wäre damit wohl auch so etwas wie Serena Williams’ Nachfolgerin.