Johan Verstappen spricht im Interview über die reizvolle Aufgabe in Schönenwerd, das Niveau der Schweizer Liga und über sein schweres Verletzungsschicksal als Spieler.
Johan Verstappen ist kein unbekanntes Gesicht im Schweizer Volleyball. Von 2008 bis 2011 war der niederländische Trainer bereits bei Volley Amriswil als Cheftrainer tätig und gewann dabei zwei Meistertitel und je einmal den Cup und den Supercup. Nun kehrt der 51-Jährige als Cheftrainer von Volley Schönenwerd in die Schweiz zurück. Sein Hunger nach Erfolg ist noch längst nicht gestillt, in Schönenwerd muss er vorerst aber kleinere Brötchen backen.
Johan Verstappen, Sie sind nach 10 Jahren zurück in der Schweiz. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren ersten Aufenthalt?
Johan Verstappen: Es war eine sehr schöne Zeit. Ich wurde zweimal Meister und einmal Cupsieger. Wenn man gewinnt, ist es natürlich immer schön. Zu dieser Zeit kam auch meine Tochter auf der Welt, deswegen habe ich natürlich ganz spezielle Erinnerungen an meine erste Zeit hier. Die Arbeit in der Schweiz hat mir sehr gefallen.
Wie haben Sie den Volleyball in der Schweiz damals und heute wahrgenommen?
In Deutschland ist das Niveau noch einmal höher. Wenn ich das Niveau aber mit Finnland und Schweden vergleiche, ist es sicher ein ähnliches Level hier. Speziell in der Schweiz ist aber, dass neben Amriswil das Niveau sehr ausgeglichen ist und jeder jeden schlagen kann. In der Presse und im Fernsehen ist Volleyball aber im Vergleich zu meinen anderen Stationen eher weniger präsent. Hier werden auch keine Spiele live im Fernsehen gezeigt. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf die Popularität.
Nun sind Sie Head Coach des NLA-Teams von Volley Schönenwerd. Wie kam der Wechsel zu Stande und was war ausschlaggebend für Sie, dass Sie hierhergekommen sind?
Ich verfolge die Schweizer Liga seit meinem letzten Aufenthalt hier. Ich habe schon seit mehreren Jahren mit Bujar Dervisaj und Daniel Bühlmann Kontakt. Mich reizt an der Aufgabe vor allem, dass ich hier mit jungen Spielern arbeiten kann. Das hat mir auch schon bei der U21 von Deutschland grossen Spass bereitet.
Welchen Eindruck haben Sie bisher von Ihrem neuen Verein gewonnen?
Die Betoncoupe-Arena bietet eine super Infrastruktur. Wir können hier jeden Tag trainieren, haben einen Kraftraum und auch Physiotherapie für die Spieler. Die Jungs werden gut versorgt und der Verein arbeitet sehr professionell. Der Verein weiss auch, wo er steht und hat Ambitionen, das gefällt mir.
Volley Schönenwerd setzt diese Saison auf ein jüngeres Team als in der Vergangenheit. Ein ausschlaggebender Punkt für die Verpflichtung von Ihnen war, dass Sie die Förderung von Nachwuchsspielern beherrschen. Wie würden Sie sich als Trainer beschreiben?
Ich lege sehr grossen Wert auf Details. Mir ist vor allem wichtig, dass die jungen Spieler ein Verständnis für das Spiel entwickeln. Ich bin dabei sehr konsequent und spreche Dinge, die mir nicht gefallen, direkt an. Ich gebe den Spielern aber auch genügend Zeit, um sich zu entwickeln. Dabei muss man in Kauf nehmen, dass es immer wieder Formschwankungen gibt. Wichtig ist mir, dass die Mannschaft ein klares Ziel vor Augen hat und darauf auch konsequent hinschafft.
Was braucht es, dass Volleyball attraktiv für Junge ist?
Ich denke, das beginnt bereits ganz früh in der Schule an. Die Kinder müssen früh mit Volleyball in Kontakt kommen und finden so hoffentlich den Weg zu einem Verein. Auch als Verein müssen wir dafür sorgen, dass wir ein attraktives Programm für Kinder anbieten können, damit nicht alle neben der Arena auf den Fussballplatz gehen. (lacht)
Wie sind Sie damals zum Volleyball gekommen?
Mein Vater und mein Bruder spielten beide Volleyball. Ich spielte Volleyball und Fussball. Ich konnte im Volleyball auch in der Junioren-Nationalmannschaft spielen. Als dann aber in der Schule meine Noten schlechter wurden, sagten mir meine Eltern, dass ich mich für eine Sportart entscheiden müsse. Ich entschied mich damals für den Volleyball und konnte bereits mit 17 Jahren in der höchsten Liga in den Niederlanden spielen. Mit 22 erlitt ich dann aber eine schwere Knieverletzung am Kreuzband, wo ich falsch behandelt wurde und meine Karriere dadurch beenden musste.
Wann haben Sie als Trainer begonnen?
Unmittelbar nach meiner Verletzung. Gleichzeitig fing ich aber auch mit Sitzvolleyball an und spielte dort in der Nationalmannschaft. Auch da war ich sehr erfolgreich und konnte an den Olympischen Spielen in Sydney teilnehmen. Als wir 2003 dann die Qualifikation für Athen verpasst haben, konzentrierte ich mich voll auf meine Arbeit als Trainer.
Ihre Familie wohnt weiterhin in den Niederlanden. Wie schwierig ist es, getrennt von der Familie zu wohnen und zu arbeiten?
Ich vermisse meine Familie auf jeden Fall. Abends verbringe ich viel Zeit allein. Für mich gehört das aber zum Beruf und ich bin mir das seit 10 Jahren gewohnt. In den Schulferien kommen mich meine Frau und meine beiden Töchter aber besuchen. Diese Zeit geniesse ich dann ganz besonders. Aber auch dann muss ich zwei Mal am Tag trainieren.
Sie wurden 2009 und 2010 Meister mit Amriswil und wissen also, was es für den Meistertitel braucht. Was fehlt in Schönenwerd noch, damit der Meistertitel erreicht werden kann?
Meister zu werden ist ganz einfach. Du musst einfach das letzte Spiel der Saison gewinnen. (lacht) Es braucht eine klare Idee, die man konsequent verfolgt. Zusätzlich braucht es auch sehr viel Geduld und ein wenig Glück. Wir haben aber sicher noch viel Arbeit vor uns. Ich kann aber auch nicht genau sagen, wo wir im Vergleich zur Konkurrenz stehen, da ich einfach noch gar nicht die Möglichkeit hatte, mir ein genaues Bild von unseren Gegnern zu machen.
In der Vergangenheit gab es viele Veränderungen und wenig Kontinuität auf dem Trainerposten. Wie lange sind Sie in Schönenwerd Trainer?
Mir ist die Situation aus der vergangenen Saison mit zwei unterschiedlichen Trainern bewusst, ich kann aber nicht einschätzen, was gut und was schlecht gelaufen ist. Ich habe eine klare Philosophie und mache es auf meine Art. Ich gebe auf jeden Fall mein Bestes, den Rest kann ich nicht beeinflussen.
Am 2. Oktober startet die Qualifikation mit dem Auswärtsspiel in Lausanne. Wie gross ist bei Ihnen die Vorfreude auf den Saisonstart?
Die Vorfreude ist sehr gross. Wir hatten eine kurze Vorbereitung und nur wenig Testspiele, haben aber hart an uns gearbeitet. Ich spüre, wie die Vorfreude der Spieler von Tag zu Tag grösser wird. Wir freuen uns natürlich riesig, endlich wieder vor Publikum spielen zu können und hoffen, dass möglichst viele Fans an den Heimspielen in die Betoncoupe Arena kommen.
Wie wollt Ihr es schaffen, dass möglichst viele Zuschauer in die Arena kommen?
Wir wollen eine Mannschaft sein, die bei jedem Spiel ehrgeizig und mit viel Kampfgeist und Freude spielt. Wir wollen als Einheit auftreten und die Emotionen auch auf das Publikum übertragen. Im besten Fall funktioniert das dann auch umgekehrt, dass das Publikum uns antreibt.