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Der Schweizer Teamleader Benjamin Weger hat sich nach Rückschlägen in Demut geübt und ist nach drei Jahren wieder zurück an der Weltspitze.
Wenn Benjamin Weger nach Wochen im Weltcuptross wieder einmal nach Hause zurückkehrt ins Goms, dann wissen Familie und Freunde: Sie dürfen mit ihm über alles reden – nur nicht über Biathlon. Um seine sportliche Leidenschaft dreht sich fast alles im Leben des 25-Jährigen, doch diese Tage daheim braucht er, um bewusst Abstand vom Sport zu nehmen. Das weiss Weger heute. Das gehört zu den Dingen, die er gelernt hat in den letzten drei Jahren, in denen einiges nicht so lief, wie er sich dies vorgestellt hatte.
Die Karriere des Biathleten Weger kannte lange nur eine Richtung: aufwärts. Als Jugendlicher lief er der Konkurrenz um die Ohren, an den Junioren-Weltmeisterschaften gewann er eine Medaille – der Ruf eines Jahrhunderttalents eilte dem Oberwalliser voraus, lange bevor er im Weltcup zu starten begann. Dort folgte mit 21 gleich der erste Podestplatz. Und im folgenden Winter – es war die Saison 2011/12 – schien Weger endgültig an der Weltspitze angekommen. Drei Podestplätze, dazu weitere Klassierungen in den Top 10. Obwohl er an den Weltmeisterschaften in Ruhpolding die Erwartungen nicht ganz erfüllen konnte, schien klar: Der erste Weltcupsieg war nur noch eine Frage der Zeit.
«Für mich stand fest, dass ich im nächsten Winter mein erstes Weltcuprennen gewinnen würde», blickt Weger zurück. «Alle erwarteten es, ich auch.» Im Sommer fühlte sich Weger stark. Er trainierte noch härter als zuvor und liess es nicht zu, dass beim Rollskitraining ein Teamkollege vor ihm auf dem Pass war. Die Leistungstests im Herbst fielen entsprechend gut aus, doch bei Saisonbeginn musste er feststellen, dass er mit den Besten nicht mithalten konnte. So ging es weiter, und in der Wettkampfpause zwischen Weihnachten und Neujahr kam er richtig ins Grübeln. Weger musste erst lernen, mit Niederlagen umzugehen. «Nach jedem schlechten Rennen brach für mich eine Welt zusammen», sagt er.
In der Euphorie des Sommers war Weger vermutlich in ein leichtes Übertraining geraten, von dem er sich den ganzen Winter nie richtig erholte. Letzte Saison lief es gesundheitlich nur unwesentlich besser. Immer wieder war er von Erkältungen geplagt, die er verschleppte. An den Olympischen Spielen in Sotschi ging gar nichts mehr.
Ganz anders diesen Winter. Der erste Weltcupsieg steht zwar immer noch aus, und auch aufs Podest hat es bisher nicht ganz gereicht – auch deshalb, weil er beim Liegendschiessen bis weit in den Januar hinein mit Problemen kämpfte. Doch Weger klassiert sich wieder regelmässig unter den Top Ten. In der Loipe präsentiert er sich so stark wie noch nie. Zweimal gelang ihm in dieser Saison gar die beste Laufzeit aller Konkurrenten. Es scheint sich auszuzahlen, dass Weger das Sommertraining in den letzten zwei Jahren umgestellt hat. Trainierte er früher vor allem im mittleren Intensitätsbereich, so absolviert er heute mehr Einheiten auf der Ebene der Grundlagenausdauer – in Kombination mit Trainings im hochintensiven Bereich.
Die Rückschläge der letzten beiden Jahre haben den Menschen und Sportler Weger reifen lassen. «Ich befinde mich heute als Athlet definitiv auf einem anderen Level als noch vor drei Jahren», sagt er. «Erst jetzt weiss ich, was es wirklich alles braucht, um im Biathlon Erfolg zu haben. Und ich habe den Erfolg erst richtig schätzen gelernt.» Dabei braucht es von Jahr zu Jahr mehr, um ganz an der Weltspitze mithalten zu können. «Um zu gewinnen, reicht es nicht mehr, schnell zu laufen und fehlerfrei zu schiessen», stellt Weger fest. «Man muss auch noch schnell schiessen.»