Olympiasieger und Mountainbikestar
Nino Schurter ist auf der Suche nach seiner Motivation zum Start des Olympiajahrs

Nino Schurter will in Tokio erneut Olympiagold. Doch dem erfolgsverwöhnten Mountainbiker fehlt es auch an Antrieb.

Raphael Gutzwiller
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Nino Schurter ist nachdenklich.

Nino Schurter ist nachdenklich.

Gian Ehrenzeller / Keystone

Nino Schurter hat schon alles gewonnen. Der Bündner ist Olympiasieger, achtfacher Weltmeister und hat sieben Mal den Gesamtweltcup gewonnen. Im verkorksten Jahr 2020 holte er im letzten Rennen noch auf sensationelle Art und Weise den Europameistertitel. Einmal mehr thronte Schurter über allen. Beobachter fragten sich nicht zum ersten Mal, woher Schurter nach so vielen Erfolgen immer noch den Willen hernimmt. Der Traum vom erneuten Olympiagold nach 2016 in Rio treibt ihn an.

Doch zum Start seines letzten Olympiajahres verrät Nino Schurter: Er habe tatsächlich manchmal Mühe, sich selber zu motivieren. Augenscheinlich merkt er dies insbesondere in kleineren Rennen, an denen Schurter derzeit in Vorbereitung auf den Mitte Mai startenden Weltcup antritt. «Weil die Zuschauer fehlen, fühlt es sich wie kleine Feld- und Waldrennen an. Für mich ist es schwierig, 90 Minuten lang alles aus mir herauszuholen», so Schurter. Die jüngeren Konkurrenten sind dagegen immer motiviert gegen den Ausnahmekönner. «Ich merke, dass sie mich unbedingt schlagen möchten. Ihr Siegeswille ist oft grösser als meiner.»

Nino Schurter bei einer Abfahrt.

Nino Schurter bei einer Abfahrt.

Bild: Keystone

Für Schurter reichte es in den Rennen auf Elba und im südtirolischen Nals jeweils zum zweiten Rang – obwohl der Grossteil des Weltcupfeldes anwesend war. Wie immer bei Nino Schurter ist auch dieses Problem eines auf allerhöchstem Niveau.

Frechheit ist abhanden gekommen

Während er in den kleineren Rennen durchaus Mühe bekundet, kennt er dieses Problem im Training nicht. «Ich setze mir jeweils Ziele, die ich erreichen will. Dabei trete ich immer gegen mich selber an, ich will immer mein bestes Ich schlagen. Darum bin ich vor dem Intervalltraining fast nervöser als vor einem Rennen, weil ich danach das Gefühl haben möchte, dass ich auf dem richtigen Weg bin.» Im Rennen aber brauche es nicht nur eine ausgezeichnete Leistung, sondern auch Kampfgeist und eine gewisse Frechheit. «Es geht darum, Risiken einzugehen. Und diese gehe ich manchmal nicht mehr ein. Es braucht auch eine gewisse Frechheit, vor der Abfahrt nochmals jemand zu überholen. Diese Aggressivität und Frechheit fehlt mir in einigen Situationen vielleicht ein wenig.»

Nino Schurter, dem Alleskönner auf dem Mountainbike, fehlt im Rennen die Frechheit? Ist er etwa schon altersmüde? «Nein, nein, das glaube ich nicht. Aber ich bin überlegter. Inzwischen frage ich mich, ob man wirklich All-in gehen soll während eines Rennens.» Wenn es zählt werde er aber bereit sein, verspricht Schurter.

Der Angriff auf den Rekord von Absalon

Man darf es ihm getrost glauben. Bei der Heim-EM 2020 im Tessin sah er schon wie der Silbermedaillengewinner aus, ehe er mit einem frechen Manöver auf der Innenseite einer Kurve Konkurrent Titouan Carod überholte und zu Gold fuhr. Das Rennen zeigte nicht nur, dass Schurter immer noch die Motivation für grosse Siege hat. Auch sonst bringt der Titel dem 34-jährigen Bündner einiges: «Für mich war dieser Sieg sehr wichtig, weil zuvor die Weltcupsaison gar nicht nach Wunsch gelaufen ist. Diese Leistung gibt mir Schwung.»

Grosser Jubel am 17. Oktober in Monteceneri: Nino Schurter jubelt über EM-Gold.

Grosser Jubel am 17. Oktober in Monteceneri: Nino Schurter jubelt über EM-Gold.

Freshfocus / Michela Locatelli

Im verkürzten Weltcup hatte Schurter enttäuscht, steht somit immer noch bei 32 Weltcup-Siegen. Noch einer fehlt ihm, um mit dem französischen Rekordhalter Julien Absalon gleichzuziehen. «Lange habe ich gesagt, dass mir ein solcher Rekord nicht wichtig ist», sagt Schurter. «Doch mittlerweile ist das anders. Der Rekord spornt mich an, nochmals 110 Prozent zu geben. Durch einen solchen Rekord kann man etwas richtig Grosses erreichen. Ich hoffe, dass ich den Rekord der meisten Weltcupsiege bald hole – und im Idealfall überbiete.»

Es hat noch Platz für die vierte Medaille

Nino Schurter mit seiner Goldmedaille von den Olympischen Spielen in Rio 2016.

Nino Schurter mit seiner Goldmedaille von den Olympischen Spielen in Rio 2016.

Gian Ehrenzeller / KEYSTONE

Nino Schurter hat also durchaus noch einige Ziele, zumal er schon länger bekannt gab, dass er 2024 in Paris nicht mehr starten werde. Zu Hause hat er ein Steinbockgeweih aufgehängt, das er mal in der Lenzerheide gewonnen hat. Daran hängen seine drei Olympiamedaillen: Gold, Silber und Bronze. Die Motivation, noch ein viertes Mal Edelmetall daran aufzuhängen, dürfte bei Nino Schurter gross genug sein.