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Der 21-jährige Thurgauer bereitet sich auf das Eidgenössische Schwingfest in Zug vor.
Die Schulterverletzung ist vergessen.
Acht Wochen lang absolvierte Samuel Giger kein Schwingfest. Eine Schulterverletzung setzte ihn ausser Gefecht. Wieder einmal. Es war für den 21-Jährigen bereits die dritte in seiner noch jungen Laufbahn. 2017 verpasste er wegen einer Verletzung an der Schulter sogar den Unspunnenschwinget.
Der Mann aus Ottoberg scheint jedoch die richtigen Lehren aus der wohl verfrühten Rückkehr vor zwei Jahren gezogen zu haben. «Ich habe mir bewusst genug Zeit gelassen», sagt Giger, der am vergangenen Sonntag in Hallau mit Platz drei ein gelungenes Comeback feierte. «Man lernt immer dazu.» Erst, als er nicht mehr an die Verletzung dachte und es im Training gut lief, entschied er sich für die Teilnahme am Nordostschweizer Teilverbandsfest.
«In diesem Jahr steht das Eidgenössische Schwingfest an. Da will man nichts riskieren.»
In Hallau startete Giger etwas verhalten, steigerte sich aber im Verlaufe des Tages merklich. Von Gang zu Gang schien das Selbstverständnis zurückzukehren. Im sechsten Gang liess der Thurgauer dem starken Appenzeller Eidgenossen Michael Bless keine Chance. «Ich musste mich ein wenig herantasten. Am Ende wurde ich wieder mutiger.»
Wichtiger als das Resultat ist für Giger jedoch, dass der Fahrplan in Richtung Eidgenössisches in Zug stimmt. Wettkämpfe haben andere Schwinger wie Armon Orlik – er gewann alle fünf Kranzfeste, an denen er teilnahm – zwar mehr bestritten. Giger sieht sich dennoch auf Kurs. Im Winter erhöhte er das Trainingspensum um eine Einheit, seit einiger Zeit geht er zudem in die Sportmassage, welche die Regeneration fördern soll. «Ich bin recht optimistisch.» Für jemanden wie Giger ist das fast schon eine Ansage.
Giger, dessen Anspruch es ist «immer besser zu werden», verfügt mit dem Kurzschwung zwar über eine Waffe, mit der er schon so manches schwingerisches Schwergewicht bezwang. Doch Experten bemängeln Gigers Einseitigkeit. «Wenn der Kurz nicht funktioniert, müsste etwas anderes kommen», sagt auch Giger.
«Der Ehrgeiz ist sicher da, vielseitiger zu werden.»
Dabei kann er auf die Unterstützung seiner grössten Vertrauensperson in Bezug auf das Schwingen zählen: Simon Schild. Er ist nicht nur sein Trainer im Schwingclub Ottoberg, sondern gleichzeitig sein Onkel und Götti. «Er ist technisch versiert, hat ein sehr gutes Auge, sieht genau, wie ich beispielsweise den Fuss hinstellen muss», sagt Giger. In Hallau versuchte er verschiedene Schwünge aus, kam das eine oder andere Mal auch durch. Am wohlsten fühlt sich Giger aber weiterhin mit dem Kurz. In explosiver und präziser Ausführung bleibt er der grösste Trumpf des athletischen Standschwingers.
Giger hat in seiner Karriere bereits 13 Kranzfeste gewonnen, in der Ostschweiz ist er mit Armon Orlik der Leader. Doch der ganz grosse Erfolg auf nationaler Ebene fehlt ihm noch. Verläuft die Karriere jedoch ähnlich steil wie bisher, stehen die Chancen gut, dass sich das bald ändert. Auch wenn Giger nicht öffentlich sagt, dass er Schwingerkönig werden will, tut er dennoch alles dafür.
«Ein Sportler, der einen gesunden Ehrgeiz hat, will immer besser werden. Das ist auch bei mir nicht anders.»
Giger ordnet dem Schwingen alles unter. Er wechselte nach der Zimmermann-Lehre die Arbeitsstelle und ist nun als Chauffeur im Kanton Thurgau unterwegs. «Es war auch ein Gedanke, einer Arbeit nachzugehen, die mich körperlich nicht so beansprucht.» Am Abend kann Giger dafür umso fokussierter und sauberer trainieren. Vor allem in den Wintermonaten, wenn die Trainings kräftezehrend sind, kommt ihm das entgegen.
Heute 1,94 m gross und 115 kg schwer, war Giger schon in jungen Jahren den meisten körperlich überlegen. Früh stellte sich auch deshalb im Schwingen der Erfolg ein. Nahezu jedes Schwingfest, an dem er teilnahm, gewann er. Sein damaliger Jungschwingertrainer Daniel Tschanz riet ihm, mit den älteren Jahrgängen mitzuschwingen. Giger sagte zu und lernte, dass er auch gegen Ältere bestehen kann. «Das war ein grosser Schritt im meiner Entwicklung.» Bereits mit 16 Jahren gewann er erstmals ein Regionalfest bei den Aktiven, das Rheintal-Oberländische 2014 in Grabs.
Seine grösste Stunde schlug jedoch am Eidgenössischen 2016 in Estavayer. Dort schwang Giger wie im Rausch. «Der Kopf ist wie abgeschaltet, es funktioniert ohne zu überlegen.» Diesen Gemütszustand habe er bisher zwei-, dreimal erlebt. «Dann läuft es einfach.» Am liebsten wäre es Giger natürlich, wenn er im August in Zug nochmals Sieg an Sieg reihen würde. Die positive Erfahrung aus Estavayer hilft ihm bei der Einstimmung. «Die Bilder, die Gefühle sind abgespeichert.» Sie geben Giger die Gewissheit, dass er zu den Stärksten gehört. Beweisen will er es in Zug.