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Am Ende der Saison hört der bald 34-jährige Tranquillo Barnetta auf. Das Eigengewächs des FC St.Gallen über die Gründe des Karriereendes, die sportliche Leitung der Ostschweizer und worauf sich der Offensivspieler nun freut.
Tranquillo Barnetta: Ich wog immer Pro und Kontra vor einem Wechsel ab. Vor einem neuen Vertrag oder nun beim Rücktrittsentscheid. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb ich nicht nochmals ein Jahr anhänge. Natürlich werde ich einige Dinge vermissen. Andere weniger. Die aktuelle Saison war gewiss nicht einfach, vor allem zu Beginn, als ich überhaupt nicht zum Zug kam und nicht verstand, weshalb.
Mag sein. Aber so etwas fliesst dann halt auch mit in die Entscheidungsfindung.
Der richtige Zeitpunkt ist jetzt einfach da. Ich wollte immer selber bestimmen, wann Schluss ist. Und nicht fremdgesteuert sein vom Körper. Oder von Verein und Trainer, die mich nicht mehr wollen. Deshalb stand für mich auch nicht zur Debatte, nach dem schwierigen Start in die Saison 2018/19 zurückzutreten. Dann wäre es nicht mein eigener Entscheid gewesen.
Es reicht jetzt einfach. Gerade in Anbetracht dessen, was meine Zukunft bringen wird. Natürlich ist es schön, dass es nochmals so kam seit dem letzten Herbst. Nach meiner Rückkehr vor zweieinhalb Jahren war mein Leistungsvermögen für Aussenstehende schwierig einzuschätzen, weil man wohl den Barnetta mit 17 Jahren erwartete. Die Leute dachten schnell einmal, ich bringe es nicht mehr. Ich fand meine Rückkehr aber stets richtig und schön und bereute sie nie. Ich selber habe ja immer gewusst, wozu ich fähig bin und wozu nicht mehr.
Die Erwartungen an mich waren sehr hoch. Man dachte wohl, dass Barnetta jetzt Sieg um Sieg bringen würde. Ich habe immer gewusst, dass ich ein Spiel prägen und entscheiden kann. Aber nicht Woche für Woche. Ich habe nie 15 Treffer pro Saison erzielt. In dieser Saison erzielte ich sechs Tore. Das ist ein Bestwert in meiner Laufbahn.
Ich weiss es nicht. Ich brauche Abstand vom Sport, gerade auch, weil es ein intensives Jahr war. Ich habe dem Fussballviel zu verdanken. Man darf mich nicht falsch verstehen, aber es ist ein spezielles Geschäft. Manchmal wird auf den Menschen zu wenig Rücksicht genommen. Deshalb ist es gut, wenn ich nun ein wenig ruhen und Kraft sammeln kann.
Es ist hier nicht anders als anderswo im Fussball. Extremer ist es aber in der Bundesliga. Oder in Amerika, wo der Spieler bei einem Wechsel nicht mitreden kann, sobald die beiden Vereine und die Liga einverstanden sind.
Sie sagte, es sei schade, wirkte gefasst. Vielleicht hat sie damit gerechnet.
Ich habe ein wenig geschwitzt, als ich vor dem Dienstagtraining vor die Mannschaft getreten bin. Es war ja ein grosser, reifer Entscheid, und ich bin es nicht so gewohnt, vor vielen Leuten zu reden. Ein paar Mitspieler fragten mich noch, ob es definitiv sei. (lacht)
Mit den normalen Einschränkungen definitiv. Wir trainieren zweimal in der Woche sehr intensiv. Es ist aber eine Tatsache, dass ich fitter bin am Spieltag, wenn ich nur einmal richtig hart trainiere. Es ist ja nicht so, dass ich nichts mache, wenn ich ein Training auslasse. Aber die Punkte holt man am Wochenende. In Amerika und beim FC St.Gallen mussten die Verantwortlichen lernen, welches der richtige Umgang mit mir ist. Bei Philadelphia sagte mir der Sportchef beim Abschied, er habe lernen müssen, dass ich ein Wettkampfspieler und parat sei, wenn das Scheinwerferlicht angeht. Der Trainer dort hatte aber stets auf mich gesetzt.
Ich plane das Kader nicht. Aber ich habe meine Ansichten. Ich konnte nie verstehen, dass man mit Andreas Wittwer nicht verlängert. Er ist ein guter Typ, seine Leistungen sprechen für ihn. Hier öffnet man eine Baustelle, die nicht notwendig wäre.
Die ersten drei Monate hatten natürlich ein Gewicht.
Ich war damals sehr überrascht. Dass Alain Sutter denken konnte, ich würde einfach so zurücktreten, obwohl wir kurz zuvor darüber geredet hatten, dass ich diese aktuelle Saison spiele. Ich bin ja keiner, der den Bettel einfach hinwirft.
Nein, es geht weiter. Eine Identifikationsfigur kann nicht einfach so aus dem Boden gestanzt werden. Es muss das Ziel sein, eigene Junge zu integrieren, damit wieder etwas entstehen kann. Aber die Jungen brauchen erfahrene Mitspieler. Hier muss der Klub den Hebel ansetzen.
Man soll niemals nie sagen. Stand jetzt sehe ich mich nicht als Sportchef, Trainer oder Spielerberater. Ich freue mich sehr auf normale Wochenenden. Zu wissen, wann ich fix frei habe. Ich freue mich darauf, meine Termine frei zu wählen. Seit über 20 Jahren war dies nicht mehr der Fall. Ich gewinne also Lebensqualität zurück, so sehr ich den Fussball vermissen werde. Natürlich war meine Familie ein Faktor. Die Prioritäten haben sich mit der Geburt meines Sohnes verändert.
Jüngst das ausverkaufte Stadion gegen Luzern, das war ein Highlight. Man wünscht sich nichts mehr, als dass die Kulisse im Kybunpark immer so aussähe. Das könnte ich noch dreimal erleben.