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Kein Klub beheimatet mehr Schweizer Nationalspieler als Borussia Mönchengladbach – warum ist das so? Aktuell sind mit Yann Sommer, Nico Elvedi, Denis Zakaria und Josip Drmic vier Schweizer Nationalspieler beim Bundesligisten angestellt. Sportdirektor Max Eberl ist zufrieden mit den Schweizern.
Die Geschichte beginnt auf dem Balkon von Lucien Favre. Es ist das Jahr 2008, Favre ist bei Hertha BSC Berlin angestellt. Er erhält an diesem Nachmittag Besuch aus Deutschland. Von Max Eberl, damals Jugenddirektor bei Borussia Mönchengladbach. Eberl hat von der guten Schweizer Jugendförderung gehört. Nun lässt er sich von Favre drei Stunden lang einen Einblick in die Details geben. Der Gast ist sehr angetan.
10 Jahre später. Die WM steht vor der Tür. Im Aufgebot der Schweiz dominiert ein Verein: Borussia Mönchengladbach. Gleich vier Nationalspieler sind bei den «Fohlen» unter Vertrag, Sommer, Elvedi, Zakaria und Drmic. Kein anderer Klub ist nur annähernd so zahlreich vertreten. Dazu hat der wichtigste Schweizer Spieler – Granit Xhaka – auf seinem Aufstieg in Richtung Weltspitze drei Jahre in Gladbach verbracht. Wie ist es dazu gekommen?
Längst ist Max Eberl Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach. Er ist ein geradliniger Erzähler, nimmt sich gerne Zeit für die Schweizer Interessen. «Ich würde jetzt Jörg Stiel nicht gerade als Missionar bezeichnen. Aber er hat mir die Augen für einen Markt geöffnet, der für uns sehr interessant ist», blickt Eberl zurück. Stiel war zwischen 2001 und 2004 Torhüter der Borussia. Er hat den Kontakt zu Favre vermittelt.
Wenn Eberl über den helvetischen Fussball spricht, dann dringt das Lob ziemlich schnell durch. «Wenn Sie unsere Transferbilanz anschauen, ist es keine Überraschung, wenn ich Ihnen sage, dass ich ein Fan von Schweizer Spielern bin.»
Aber warum? «Die Schweizer Jugendarbeit im letzten Jahrzehnt war herausragend. Vieles läuft sehr strukturiert ab, auch von den Trainern. Dazu haben die Secondos – ich kenne das Wort mittlerweile! – neue Impulse und eine andere Mentalität in den Schweizer Fussball gebracht.» Eberl vergleicht die Schweiz mit den Holländern rund um die Jahrtausendwende. «Man spürt, da ist etwas gewachsen. Der Weg ist durchaus ähnlich.»
Natürlich hat auch Lucien Favre einiges zur reichhaltigen Geschichte zwischen Mönchengladbach und der Schweiz beigetragen. Zwischen 2011 und 2015 führte er den Verein aus der Abstiegszone in die Champions League. Obwohl Favre Gladbach abrupt und etwas überstürzt verliess, ist Eberl auch heute noch voll des Lobes über ihn.
Nun ist Favre zurück, bei der anderen Borussia, jener aus Dortmund. Und Eberl sagt: «Ich habe schon immer gesagt: Jedem Verein, der Lucien Favre als Trainer gewinnt, kann man nur gratulieren. Ich traue ihm sehr viel zu in Dortmund.» Dann erzählt Eberl, wie Favre nicht nur einen Xhaka geformt hat, sondern auch Spieler wie Stranzl weiterbrachte und einen Dante ins brasilianische Nationalteam führte. «Man sagt heute ja ziemlich schnell über einen Trainer: ‹Der macht die Spieler besser.› Aber bei ihm ist es wirklich so.»
Zurück zum Schweizer Fussball. Bei allem Lob, wo erkennt Eberl Defizite? «Nun, ich kann jetzt nicht für die ganze Gesellschaft sprechen, auch wenn ich jedes Jahr in Davos Ski fahre, seit ich dreijährig bin», beginnt er, «aber am langen Ende ist es vielleicht doch der absolute Wille, der noch fehlt.
Dazu kommt die Problematik des Zusammenführens der in Anführungszeichen ‹Urschweizer› mit den Secondos. Das sehen wir auch beispielsweise bei den Belgiern mit den Flamen und den Wallonen. Die kriegen auch nie diese Geschlossenheit hin wie Deutschland oder wie dies Brasilien auf völlig übertriebene Weise 2014 ausgemacht hat.»
Eberl traut der Schweiz eine gute WM zu. Nicht nur wegen «seiner» Spieler. Viele Akteure seien Leistungsträger in Europa. Seine Analyse der Gruppe E fällt aus helvetischer Sicht günstig aus: «Vor zehn Jahren hätte ich noch gesagt: Klar, Brasilien und Serbien sind die Favoriten aufs Weiterkommen. Aber jetzt, da sehe ich die Vorteile bei der Schweiz. Ich fände es durchaus gerechtfertigt, zu sagen: ‹Serbien muss uns erst einmal schlagen.›»
Er rät den Schweizern, sich auf keinen Fall kleiner zu machen als nötig. «Wenn ich dauernd von klein, klein, klein rede – dann fehlt das Selbstbewusstsein, um sich gegen die Grossen aufzulehnen.»
Auflehnen gegen die Grossen? Was, wenn es tatsächlich zum Duell Schweiz gegen Deutschland kommt, wen unterstützt Max Eberl? «Da wäre ich dann schon Patriot. Obwohl nur ein Spieler von uns bei den Deutschen mit dabei ist gegenüber vier Schweizern. Aber sollte das Spiel wider Erwarten doch anders ausgehen, dann wären die Schweizer in meiner Gunst fortan ganz weit oben.» Mönchengladbach ist eben der beste Schweizer Verein.
Welche Vereine haben wie viele Schweizer WM-Spieler unter Vertrag:
Gladbach (4), Dortmund (2), Schalke (1), Frankfurt (1), Leipzig (1), Hoffenheim (1), Arsenal (1), Stoke (1), Juventus Turin (1), AC Milan (1), Deportivo La Coruña (1), Udinese (1), Bologna (1), Bergamo (1), Benfica Lissabon (1), Toulouse (1), Dinamo Zagreb (1), Antalyaspor (1), Basel (1)