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Den Weltmeistertitel hauchdünn verpasst. Wie die Schweizer Nationalspieler und ihr Headcoach Patrick Fischer mit der bitteren Finalniederlage (2:3 nach Penaltyschiessen) gegen Schweden umgehen.
Was soll man als Trainer seinen Spielern erzählen, die eben wohl eine der härtesten Niederlagen in ihren Sportlerkarrieren erlitten haben? Diese undankbare Aufgabe hatte der Schweizer Nationalcoach Patrick Fischer nach der bitteren WM-Final-Niederlage gegen Schweden (2:3 nach Penaltyschiessen), als er in die Garderobe kam. «Du siehst in all die traurigen Gesichter, hast selbst nicht die beste Laune und musst etwas erzählen. Du kannst dich in so einem Moment einfach nur bedanken, für die Leistung, das Vertrauen, den Einsatz, das Bekenntnis zur Mannschaft.»
Der eloquente Patrick Fischer fand auch in einem schwierigen Moment mal wieder die richtigen Worte. Und wurde beinahe ein wenig sentimental, als er sagte: «Die Jungs gaben alles für die Schweiz. Mit dieser Einstellung inspirieren sie, so hoffe ich zumindest, die Kinder in unserem Land. Diese Generation von Spielern macht aus, dass sie an sich glaubt. Meine Generation konnte das noch nicht, wir hinkten immer hinterher. Heute können wir mit den Besten mithalten, das ist schön und macht Spass.»
Es waren versöhnliche Voten, die Fischer zu später Stunde in kleiner Runde von sich gab. Der «wahnsinnige Stolz» auf das, was seine Spieler im Verlauf des Turniers geleistet hatten, war mit jeder Faser seines Körpers spürbar. «Hinter dieser Medaille stecken wahnsinnig viele schöne Momente und Emotionen. Das ist, was im Leben zählt und was man mitnimmt. Ob man Weltmeister oder Vize-Weltmeister wird, das ist das eine. Der ganze Weg dahin das andere. Es war ein ganz spezielles Team. Ich habe noch selten so viel Spass gehabt in einer Eishockey-Mannschaft.»
Diese Mannschaft war eine halbe Stunde vorher mit hängenden Köpfen durch die Mixed-Zone getrottet. Das, was die Spieler zu erzählen hatten, ähnelte sich. Allgegenwärtig das Bedauern über die verpasste Chance. Dass man einmal mehr den Schweden, die schon im WM-Final 2013 zum Stolperstein für die Schweizer geworden waren, beim Bejubeln des WM-Titels zuschauen musste.
«Die Bilder, die sich nach dem Ende auf dem Eis abgespielt haben, taten weh. Umso mehr, weil wir so nah dran waren», sagte der überragende Goalie Leonardo Genoni. «Es ist eine riesige Leere im Moment. Wir waren so nah dran und du weisst nie, wann du wieder so weit kommst. Im Moment haben wir überhaupt nicht im Kopf, Silber gewonnen zu haben», befand Stürmer Simon Moser.
Apropos Schweden: Die Schweizer liessen es sich trotz des Finalfrusts nicht nehmen, den Abschluss des WM-Turniers in einem Klub in der Kopenhagener Innenstadt zu feiern. Und staunten nicht schlecht, als wenig später die Spieler des Weltmeisters genau an demselben Ort mit dem Bus vorfuhren.
Entsprechend verhalten war die Festlaune des Verlierers. Kein Vergleich jedenfalls zu der Party, die vor fünf Jahren beim Gewinn der WM-Silbermedaille in Stockholm über die Bühne ging. Damals war die Freude über den Exploit allgegenwärtig gewesen. Diesmal überwog die Enttäuschung über die verpasste Chance deutlich.
Der Rückflug in die Schweiz mit einer Chartermaschine der Swiss verlief ebenso vergleichsweise unspektakulär. Keine Spur von der ausgelassenen Stimmung, die 2013 bei der Rückkehr in die Schweiz geherrscht hatte. Eine Gratulation des Captains, Empfang mit Wasserfontänen in Kloten. Das war alles schön und recht. Aber eben kein Trost für die geschlagenen Schweizer Helden.
Die Silbermedaillen blieben beim einen oder anderen Spieler im Hosensack. «Ich werde nicht gerne Zweiter. Wenn ich realisiert habe, was wir erreicht haben, kann ich sie dann wieder hervornehmen», sagte Genoni beim offiziellen Empfang in Glattbrugg. Etwa 4000 Fans waren gekommen, um die Nationalmannschaft herzlich willkommen zu heissen.
Im offenen Doppeldecker fuhren die «Eisgenossen» direkt vom Flughafen herkommend auf dem Festgelände vor. Sie winkten bei der Präsentation auf der Bühne artig in die Menge, Captain Raphael Diaz bedankte sich für den Support. Die Silberhelden machten mit bei der «Welle», verteilten schliesslich bereitwillig Autogramme oder standen für Selfies zur Verfügung.
Aber über allem schwebte das Gefühl der Enttäuschung. Wie sehr hatten sich die Spieler gewünscht, sich an diesem Pfingstmontag als Weltmeister feiern zu lassen. Und wie knapp hatten sie das Ziel verpasst. «Mega cool, was hier abgeht. Das schätze ich sehr. Wenn ich aber das Resultat ändern könnte, würde ich das tun. Es ist extrem bitter. Die Enttäuschung ist immer noch da, aber dieser Empfang ist ein kleiner Trost. Am Schluss ist es ein zweiter Platz, und nicht das, was wir wollten», sagte Berns Stürmer Tristan Scherwey.
Womit wir noch einmal auf Patrick Fischers WM-Bilanz zurückkommen. Der Mann, der nach der missglückten Olympia-Mission im Februar arg in die Kritik geraten war, verlor auch angesichts des WM-Medaillengewinns nicht das Augenmass: «Gegen Deutschland verloren wir in Pyeongchang in der Verlängerung, dann waren wir die Deppen. Jetzt wird die Mannschaft hochgejubelt, weil sie in den Final vorgestossen ist. Wir sind aber weder Deppen noch Helden, sondern ehrliche Arbeiter mit einem grossen Sportlerherz.»
Die Arbeiter mit dem Sportlerherz verabschiedeten sich nach dem Empfang in alle Himmelsrichtungen. Mit einer grossen Portion Wehmut im Gepäck. Aber auch im Wissen, dass sie der Sportnation Schweiz viel Freude bereitet haben. Auch wenn sich diese Erkenntnis bei den geknickten Silberhelden erst in ein paar Wochen breitmachen wird.