Das Team des Curlingclubs Aarau mit Skip Silvana Tirinzoni gewinnt in Kanada den dritten WM-Titel in Serie. Die Schweizerinnen gewannen dabei alle ihre 14 Spiele. Im Final schlug man Südkorea 7:6.
Als Silvana Tirinzoni und ihre Teamkolleginnen am späten Sonntagabend in Prince George die Türe ins Restaurant öffnen, werden sie mit einer Standing Ovation empfangen. Nur 90 Minuten zuvor besiegelt die Schweizer Equipe den dritten Weltmeistertitel in Serie mit zwei Steinen im letzten End des Finalspiels gegen Südkorea (7:6). Ihre Turnierbilanz hört sich märchenhaft an: 14 Spiele, 14 Siege und als Lohn bei der insgesamt 42. Frauen-WM das erste Team überhaupt mit diesem Gold-Triple.
Entsprechend fröhlich geht es beim gemeinsamen Nachtessen am Tisch der Curlerinnen vom CC Aarau zu und her. Später soll der Abend bei einer lokalen Party im Irish Pub ausklingen. Auch dort werden die Curling-verrückten Einwohner im Westen Kanadas in der Provinz British Columbia die Schweizerinnen frenetisch empfangen.
Zuvor nimmt sich Silvana Tirinzoni Zeit, um eine verrückte Saison Revue passieren zu lassen. Die vielen Entbehrungen, um das grosse Ziel Olympia auf keinen Fall wegen Corona zu verpassen. Dann der souveräne Vorrunden-Auftritt in Peking. Als Nummer 1 stiegen die 42-Jährige und ihre Mitstreiterinnen in die Medaillenspiele…und kehrten letztlich mit leeren Händen in die Schweiz zurück. Der Flieger hob noch am Abend des Bronzespiels ab.
Zeit, um die wohl grösste Enttäuschung des seit 2018 in dieser Zusammensetzung spielenden Teams zu verarbeiten? Fehlanzeige! Zweimal schlafen, den Jetlag abschütteln und dann ging es los mit den ersten Spielen der Schweizer Meisterschaft. Silvana Tirinzoni, Alina Pätz, Esther Neuenschwander und Melanie Barbezat mussten dort siegen, wollten sie ihren Titel an den Weltmeisterschaften verteidigen. So unbarmherzig lauten die Regeln des nationalen Verbandes.
Bei den Männern scheiterte das Olympiateam um Skip Peter de Cruz an dieser Herausforderung. Bei den Frauen holte sich Tirinzoni den Titel. «Diese Woche war für uns richtig hart. Wir liefen mental auf dem Zahnfleisch. Jede von uns war während der Schweizer Meisterschaft mindestens einmal nahe am Zusammenbruch», sagt die Betriebsökonomin, die ihre Anstellung als Vermögensberaterin bei einer Bank für den Curlingsport aufgegeben hat.
Und nun der Glanzauftritt an der WM. Zwei Wochen mussten nach der SM reichen, um die Batterien wieder einigermassen aufzuladen und die Enttäuschung von Peking hinter sich zu lassen. «Vielleicht war es sogar das richtige Rezept, nach Olympia gleich wieder zu spielen, so unerträglich uns die nationalen Titelkämpfe auch erschienen. Der Sieg dort fühlte sich an, als würde der Dolch wieder aus unseren Herzen gerissen», sagt Silvana Tirinzoni.
Trotzdem rechnete die Zürcher Unterländerin, die seit mehr als einem Jahrzehnt für den Curlingclub Aarau spielt, nicht mit einem derart dominanten Auftritt an der WM. Sie ging davon aus, dass die mentale Müdigkeit bei ihr und den Teamkolleginnen ein hemmender Faktor sei. «Ich bin selbst ein wenig überrascht von unserer Leistung. Aber sie macht mich extrem stolz. Wie es uns gelungen ist, die Enttäuschung hinter uns zu lassen und nach vorne zu schauen. Man hat bei allen gespürt, wie sehr sie diesen Titel verteidigen wollten.»
Keinen einzigen kritischen Moment hatte das Team mit Ersatzspielerin Carole Howald zu überstehen. Das einzige Damoklesschwert über ihrem WM-Auftritt hiess erneut Corona. Die Equipen aus Schottland und Japan mussten das Turnier deswegen abbrechen.
Silvana Tirinzoni will die drei WM-Titel nicht vergleichen. Alle seien auf ihre Weise speziell gewesen. 2019 in Dänemark sei das Besondere die Reaktion auf den schlechten Start mit drei Niederlagen in den ersten fünf Partien gewesen. 2021 stand das Turnier ganz im Zeichen von Corona und die Spielerinnen mussten vor den Weltmeisterschaften in Calgary beinahe für drei Wochen vor Ort in eine strenge Isolation. Bereits damals war der Auftritt mit einer einzigen Niederlage nahezu perfekt. «Jede Goldmedaille bedeutet uns sehr viel», sagt die 42-Jährige.
Und nun also ab in die Ferien? Silvana Tirinzoni lacht. Zuerst einmal dauert es dank suboptimalen Flugverbindungen bis am Mittwochmorgen, bevor die Curlerinnen in der Schweiz ankommen. Und in zwei Wochen hebt der Flieger wieder ab in Richtung Kanada. In Toronto (12. – 17. April) und in der Nähe von Calgary (3. – 8. Mai) stehen nochmals zwei Auftritte an Grand Slams auf dem Programm. Schliesslich will das Aarauer Team in der Weltrangliste vom aktuellen Platz 6 wieder ganz an die Spitze stossen.
Ob die gemeinsame Reise nach der Saison weitergehen wird, kann Silvana Tirinzoni nicht beantworten. «Wir hatten schlicht noch keine Zeit für unsere grosse Teamsitzung.» Irgendwie reizt diese fehlende Olympiamedaille. Andererseits war Silvana Tirinzoni bereits an den letzten beiden Winterspielen die älteste Schweizer Teilnehmerin überhaupt. Und der Bankjob kann auch nicht ewig parkiert werden. Eine schwierige Entscheidung nach einem perfekten Auftritt.