Bundesliga
Ungewollte Premiere: Nach vielen Erfolgen muss sich Gerardo Seoane erstmals als Krisenmanager beweisen

Gerardo Seoane muss nach dem 0:3 gegen Hoffenheim und dem schlechtesten Saisonstart der Leverkusener Vereinsgeschichte erstmals als Cheftrainer eine echte Krise managen.

Raphael Gutzwiller
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Gerardo Seoane ist nach dem 0:3 gegen Hoffenheim enttäuscht.

Gerardo Seoane ist nach dem 0:3 gegen Hoffenheim enttäuscht.

Ulrich Hufnagel/Freshfocus

Eine Szene aus der 51. Minute bringt die Situation von Bayer Leverkusen auf den Punkt. Angriff über den linken Flügel Moussa Diaby, der legt in den Rückraum auf für Patrik Schick. Der Tscheche, in der Vorsaison noch 24 Mal in der Liga erfolgreich, schliesst ab. Wahrscheinlich hätte der Ball den Weg ins Tor gefunden. Doch Mitspieler Sardar Azmoun steht im Weg. Wieder nichts. Schick schüttelt den Kopf. In Ansätzen sieht das Spiel von Leverkusen gar nicht so schlecht aus, doch in den entscheidenden Situationen misslingt dem Team von Trainer Gerardo Seoane derzeit alles.

Christoph Baumgartner von Hoffenheim jubelt.

Christoph Baumgartner von Hoffenheim jubelt.

Federico Gambarini / dpa

0:3 steht es im Heimspiel gegen Hoffenheim am Ende. Für den Luzerner Trainer ist es wieder eine herbe Schlappe. Auch das vierte Pflichtspiel verliert sein Team, so schlecht ist Bayer seit dem Aufstieg 1979 noch nie in eine Saison gestartet. Zudem hat die für ihren Offensivfussball bekannte Werkself mit erst einem einzigen erzielten Tor so wenig getroffen wie kein anderes Team der Liga.

Im Duell der beiden letzten Schweizer Meistertrainer siegt André Breitenreiters Hoffenheim derweil verdient. Die TSG spielt seine Konter gut aus und ist durch Baumgartner, Kramaric und Rutter erfolgreich.

André Breitenreiter (rechts) siegt im Duell der beiden letzten Schweizer Meistertrainer.

André Breitenreiter (rechts) siegt im Duell der beiden letzten Schweizer Meistertrainer.

Ulrich Hufnagel/Freshfocus

Bei Luzern und YB von Erfolg verwöhnt

Für Seoane und Leverkusen kommt nach der besten Rückrunde der Vereinsgeschichte im Frühling und einer guten Vorbereitung der Fehlstart völlig unerwartet. «Es ist ein schwieriger Moment für uns als Klub und für mich persönlich», meinte Seoane an der Medienkonferenz nach der Heimklatsche.

In der Schweiz wurde Seoane vom Erfolg verwöhnt.

In der Schweiz wurde Seoane vom Erfolg verwöhnt.

Peter Klaunzer / KEYSTONE

Erstmals muss der Schweizer Trainer nach Jahren des Erfolges eine echte Krise managen. Seine Laufbahn war bisher von Höhepunkten geprägt. Im Januar 2018 hatte er den FC Luzern auf dem vorletzten Tabellenrang übernommen, seinen Heimatverein noch auf den dritten Rang geführt– und daraufhin Adi Hütter bei YB beerbt. Auch dort funktionierte der Seoane-Fussball auf Anhieb. Nach drei Meistertiteln, einem Cupsieg und einer Champions-League-Teilnahme verabschiedete er sich in Richtung Bundesliga. Wieder startete der 43-Jährige sogleich durch. Unter ihm legte Bayer Leverkusen seine beste Saison seit neun Jahren hin und spielt in dieser Saison wieder in der Champions League.

Es ist zum Verzweifeln: Kerem Derimbay.

Es ist zum Verzweifeln: Kerem Derimbay.

Federico Gambarini / dpa

Doch was Leverkusen in dieser Saison zeigt, ist weit entfernt von der Königsklasse. Das blamable Out im deutschen Cup gegen Drittligist Elversberg erschien zunächst ebenso als Ausrutscher wie die beiden zwar spielerisch guten aber erfolglosen Ligaspielen gegen Dortmund und Augsburg. Wie gross die Probleme sind, zeigt aber die Schmach gegen Hoffenheim. «Wenn die Verunsicherung da ist, dann gibt es Missverständnisse, Ballverluste, falsche Entscheidungen», so Seoane. Im Leverkusener Lager macht sich auch Ratlosigkeit breit. «Natürlich hat keiner damit gerechnet, dass wir so starten», stellte Jonathan Tah fest. Torhüter Lukas Hradecky meinte: «Ich frage mich auch, was da los ist. Ich kann nicht alles erklären. Da besteht anscheinend grösserer Redebedarf als erwartet.»

Klubboss Carro hat «keine Zweifel» an Seoane

Trotz missratenem Start muss Seoane noch nicht um seinen Posten als bangen. «Wir haben Vertrauen in den Trainer und den Staff», sagt Sportchef Simon Rolfes. Auch Klubboss Fernando Carro äussert sich auf die Frage, ob der Schweizer weiter der richtige Mann sei, klar: «Auf jeden Fall. Hundertprozentig. Da habe ich keinen Zweifel.»

Enttäuschte Miene bei Gerardo Seoane.

Enttäuschte Miene bei Gerardo Seoane.

Ulrich Hufnagel/Freshfocus / Witters

Seoane will nun das Ruder bei Bayer wieder herumreissen, in dem er Tacheles redet. «Es wird in der Analyse klare Worte brauchen. Aber man kann da nur zusammen raus.» Für ihn ist es eine ungewollte und neue Herausforderung. Im Erfolgsfall hat er sich über Jahren bewiesen, nun muss sich Gerardo Seoane erstmals als Krisenmanager versuchen.