«Ich konnte mich nie richtig erholen»: Weshalb der Höhenflug von Benjamin Weger im Höhenzimmer endete

Ausgerechnet Benjamin Weger ist vor der Biathlon-WM in Antholz das Sorgenkind im Schweizer Team.

Rainer Sommerhalder
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Beim Weltcup in Slowenien kam Benjamin Weger nicht über die Ränge 22 und 23 hinaus.

Beim Weltcup in Slowenien kam Benjamin Weger nicht über die Ränge 22 und 23 hinaus.

Bild: Keystone/Antonio Bat (Pokljuka, 23. Januar 2020)

Die Frauen laufen Benjamin Weger derzeit den Rang ab. Denn noch in der vergangenen Saison war der 30-jährige Oberwalliser das unangefochtene Aushängeschild des Schweizer Biathlonsports. Neunmal klassierte er sich im höchst kompetitiven Starterfeld der Männer in den Top Ten. Angesichts der ungleich grösseren Konkurrenz als beispielsweise im Langlauf eine Weltklasseleistung.

Bestätigung dieser vorher nie erreichten Konstanz und als weiterer Glanzpunkt der Sprung aufs Podest, lauteten Wegers Ziele für diesen Winter. Niemand kam auf die Idee, sie als unrealistisch zu bezeichnen. Der passionierte Fliegenfischer ist ein Perfektionist mit Flair für Details. So entschied er sich auf der Suche nach Optimierungen in der Zwischensaison für zwei Anpassungen. Mit einem neuen, leicht schwereren Gewehrschaft sollte die Stabilität im Stehendschiessen bei windigen Verhältnissen verbessert werden. Und sein traditionelles dreiwöchiges Höhentrainingslager im Herbst schob er so nahe an den Weltcup-Auftakt wie noch nie.

Weger verzichtet vor der Saison auf Höhentraining

Den Effekt der Massnahmen als gelungen darzustellen, wäre eine masslose Übertreibung. Weger schiesst – interessanterweise aber liegend – schlechter als im Vorjahr. Und er ist läuferisch weit von seiner Bestform entfernt. Einzig der Einstieg in den Weltcup mit Rang 5 im Einzelrennen von Östersund entsprach seinem Gusto. Seither jagt Weger einer weiteren Top-Ten-Platzierung hinterher. Er sagt:

«Die bisherige Saison ist sicher nicht, was ich erwartet habe. Bis zum November lief noch alles nach Plan.»

Der 30-Jährige betont, dass er die alljährlichen Leistungstests im Spätherbst in Magglingen mit persönlichen Bestwerten abschloss.

Weger vermutet, dass die Anpassung des Höhentrainings zu einem leichten Übertraining geführt habe. Bis zwei Wochen vor dem ersten Rennen schlief er in Andermatt in einem sogenannten Höhenzimmer, in welchem der Sauerstoffgehalt in der Luft reduziert und damit eine grosse Höhe simuliert wird. Als Effekt sollte sich seine Form nach Östersund Schritt für Schritt einem ersten Höhepunkt in den Dezemberrennen nähern. Für den Januar plante der Oberwalliser wie stets in den vergangenen sechs Wintern in Hinblick auf die Weltmeisterschaften einen weiteren Aufenthalt im Höhenzimmer.

Auf diesen hat Benjamin Weger nun verzichtet. Denn der erhoffte Effekt kehrte ins Negative. Von Rennen zu Rennen nahm seine Leistungsfähigkeit ab. «Ich konnte mich einfach nie richtig erholen, auch in der Pause zwischen Weihnachten und Neujahr nicht», erklärt der Teamleader der Schweizer Männer. Und das Tückische daran: Weger fühlte sich eigentlich fit, staunte aber in den Wettkämpfen schnell einmal, wenn ihm bei der ersten Zwischenzeit schon ein Rückstand von 20 Sekunden gemeldet wurde. «Mein Gefühl korrespondiert nicht mit der Realität», sagt er mit einer gehörigen Prise Ratlosigkeit, «ich kann mit den Besten nicht mithalten.» Immerhin helfen ihm die eigenen Erfahrungen, um seine Lage nicht zu dramatisieren. «Vor fünf Jahren wäre für mich in der gleichen Situation eine Welt eingestürzt.»

Was bedeutet diese Ausgangslage für den anstehenden Saisonhöhepunkt? Weger zuckt mit den Schultern. «Ich fühle mich gleich gut oder gleich schlecht wie im Dezember.» Erst die WM-Rennen werden zeigen, was das im Vergleich mit der Konkurrenz heisst. Ändern kann er daran wenig, einzig seine Zuversicht nicht verlieren. Wobei die Karriere den Oberwalliser gelehrt hat, realistisch zu sein. «Natürlich liegt mir die Strecke in Antholz. Aber wenn du keine Power hast, dann hilft das nichts.»

Von Grund auf analysiert werden soll das Verhalten seines Körpers bei der Auswertung der Saison. Weger denkt, dass man erst dann genau sagen kann, wo das Problem effektiv liegt. Gravierend könne das Übertraining nicht sein. Sonst würden Effekte wie Lustlosigkeit oder Müdigkeit viel stärker auftreten. Trotzdem weist vieles darauf hin, dass tatsächlich der Zeitpunkt des Höhentrainingslagers, welches als Schritt nach vorne gedacht war, für den Körper nicht gepasst hat.