Erstmals seit 2013 sind die Münchner in der Königsklasse siegreich. Weil sie aus der ersten Halbzeit lernen – und weil Coman gegen seinen Ex-Verein trifft.
Als die Pariser im Bauch des Estadio da Luz aus dem Mannschaftsbus stiegen, trugen sie feierlich Anzug. Die Bayern hingegen reisten mit Turnschuhen und Sporthosen an. Und es schien, als sei dieser Final nichts weiter als das nächste Spiel. Eines, das auch gegen Paderborn oder Wolfsburg hätte stattfinden können. Und so begannen die Münchner auch: unbeeindruckt von Bedeutung und Gegner.
Sie verteidigten auf Höhe der Mittellinie und ignorierten die Geschwindigkeit und Finesse des Pariser Angriffs, der sich vorzüglich eignet für schnelle Gegenangriffe. Mehrfach reichte ein simpler Pass in die Tiefe, um die Bayern in Schwierigkeiten zu bringen. Die beiden Aussenverteidiger, Alphonso Davies und Joshua Kimmich, verteidigen bisweilen sorglos. Davies ist für gewöhnlich schneller als die meisten seiner Gegenspieler. Seine häufigen Fehler im Stellungsspiel fallen deshalb kaum auf. Es ist dann, als sei er schneller als die Zeit, als sprinte er zurück in die Vergangenheit und mache wett, was sich schon geschehen wähnte. Doch die Pariser überspielten den Kanadier mehrfach. Auf der anderen Seite versuchte Kimmich in seinem grenzenlosen Ehrgeiz das Spiel zu machen. Auf Kosten seiner defensiven Pflichten. Doch PSG konnte nicht profitieren von der Münchner Ignoranz.
In der zweiten Halbzeit beschäftigte sich Bayern mehr mit dem Gegner und weniger mit ihrem Selbstvertrauen. Sie fanden die Balance und dadurch zurück ins Spiel. So denn ist der Münchner Sieg auch einer von Trainer Hansi Flick, der in der Pause merklich nachjustierte. Kingsley Coman belohnte seine Mitspieler nach knapp einer Stunde für den erfolgreichen Lernprozess. Kimmich, der heimliche Spielmacher, flankte und Coman traf. Ausgerechnet Coman, der gebürtige Pariser, der fast zehn Jahre für PSG spielte.
Paris gelang der Ausgleich in diesem dann doch typischen Endspiel nicht. Typisch, weil die Bedeutung mit jeder Minute offensichtlicher wurde. Je näher der Pokal ist, desto mehr hat man zu verlieren. Und so spielten die beiden Mannschaften in der zweiten Halbzeit: nervös. Schliesslich war es trotzdem noch ein Spiel wie jedes andere auch. Wie gegen Paderborn oder Wolfsburg. Denn die Bayern gewannen. Es war der 21. Pflichtspielsieg in Folge. Da half auch der feine Zwirn der Pariser nicht, die weiter auf diesen grossen Titel warten müssen.