Ein Goldräuber ist er schon: Zweimal wurde Matthias Mayer Olympiasieger. Nun will er den Sieg im Disziplinenweltcup der Abfahrer. Doch der ist seit vier Jahren die Beute von Beat Feuz. Einen entscheidenden Anteil am Ausgang könnte das Rennen in Gröden haben.
Beat Feuz stützt sich entspannt auf das Absperrgitter, das den Coronamindestabstand regelt, und sagt: «Ich muss niemandem mehr beweisen, dass ich der beste Abfahrer einer Saison sein kann.» Viermal in Folge war er es. «Darum kann ich es wohl etwas anders angehen.»
Anders als der Mann, der kurz zuvor nur ein paar Meter entfernt am Gitter steht. Die Augen von Matthias Mayer leuchten, wenn von der Kristallkugel für den besten Abfahrer gesprochen wird. «Diese Auszeichnung ist mein grosses Ziel», sagt der Österreicher, der von allen nur Mothl genannt wird. Feuz sagt:
«Man muss ihn nur anschauen, und man weiss, was er will. Er ist heiss auf diese Kugel.»
Mayer war schon Olympiasieger und hat in Kitzbühel gewonnen. Nur der beste Abfahrer einer Saison war er noch nie. 2021 wurde er in dieser Wertung Zweiter. 2020 Dritter.
Ob es in dieser Saison klappt, könnte auch mit dem Rennen am Samstag zusammenhängen. Vor einem Jahr stand der 31-Jährige in Gröden letztmals nicht auf dem Podest einer Weltcupabfahrt. «Seither zeigt er ganz genau, wo er hin will», sagt Feuz. Auf den Olymp der Abfahrer.
In dieser Saison führt Mayer das Klassement nach zwei Abfahrten an. «Und er stand jetzt in sieben Abfahrten hintereinander auf dem Podest», sagt Feuz und fügt lachend an: «Aber ich gebe noch nicht auf.»
Muss er auch nicht. Zwar umfasst seine Serie «nur» sechs Podestplätze hintereinander. Das allerdings nur, wenn man allein die Weltcupabfahrten nimmt. An der WM in Cortina im vergangenen Februar schied Mayer aus, während Feuz Bronze gewann.
Doch zurück nach Gröden, zu dieser schwierigen Abfahrt im Val Gardena, wo die Kamelbuckel schon so manchen brutal abwarfen. Auch Matthias Mayer. 2015 stürzte er schwer und zog sich Brüche an zwei Brustwirbeln zu. Mayer blieb nur deshalb vor noch schlimmeren Folgen verschont, weil er als einer der ersten Athleten den damals neuen Airbag trug.
Zwar erholte sich Matthias Mayer komplett, wie schon 2012, als er nach einer Lebensmittelvergiftung so geschwächt war, dass er nicht mehr laufen konnte. Trotzdem tut er sich in Gröden in der Abfahrt schwer.
Sein bestes Resultat ist ein siebter Rang, und seit dem Unfall war er nie besser als Zehnter. Er selbst sieht aber nicht den Sturz als Ursache, vielmehr liege ihm die Strecke nicht. Vor einem Jahr sagte Mayer, nachdem er erneut fast stürzte: «Ich muss hier extrem über mein Limit gehen, damit ich schnell bin – dann passieren mir solche Sachen.»
Mayer hatte lange den Ruf, ein Mann für die grossen Rennen zu sein. 2014 wurde er in Sotschi Olympiasieger in der Abfahrt, ohne einen Weltcuppodestplatz in der gleichen Disziplin auszuweisen. Als er 2018 in Südkorea mit seinem Sieg im Super-G erneut zum Olympiasieger wurde, hatte er erst vier Weltcuprennen gewonnen.
Mittlerweile steht Mayer bei elf Siegen. 2018 verwies er Beat Feuz im Olympia-Super-G um 13 Hundertstelsekunden auf Rang zwei. In dieser Saison will er Gleiches im Abfahrtsweltcup tun. Feuz sagt: «Er und Kilde werden meine grössten Rivalen.»
Der Norweger Aleksander Kilde hat die beiden letzten Abfahrten in Gröden gewonnen. Und er ist nach einem Kreuzbandriss bereits wieder eindrücklich in die Saison gestartet.