Klub der jungen Geschichten
Eine unerwartete Begegnung

Lena Müller, Luzern, 5. Primar

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Lena Müller

Lena Müller

Ich warf der Obdachlosen zwei Franken in den Hut, der vor ihr lag. Was dann geschah, gab mir auf besondere Weise viel mehr zurück.

Wir reisen drei Jahre zurück ins schöne Barcelona. Ich war 23 Jahre alt und kam mit meinem Gehalt so knapp über die Runden. Dabei war es schon immer mein Traum in Madrid zu leben. Viele denken sich jetzt vielleicht warum nach Madrid und nicht nach London, New York oder Paris! Das ist so: Bevor meine Mutter und mein Vater den Autounfall hatten, der tödlich endete, war es schon immer ihr Traum nach Madrid zu fliegen und dort den speziellen Job zu machen, den es hier nicht gibt. Und so bekam es auch mein Traum zu machen, was sie wollten, aber nie erleben durften.

An einem schönen Sommertag war ich auf dem Weg zum Bus, als ich wieder einmal einer Obdachlosen Geld in den Hut warf. Ich bekam darauf von ihr eine herzliche Umarmung, was mich sehr berührte. Nach dieser guten Tat wusste ich, dass ich meinen Traum verwirklichen will, denn das Geld sollte nun reichen. Ich freute mich noch mehr als ich das Jobangebot von diesem speziellen Job sah! Ich kaufte sofort das Flugticket und packte meine Sachen in drei Koffern. Am nächsten Tag flog ich auch schon nach Madrid. Der Flug war nicht lange, da Madrid ja im selben Land ist.

Ich mietete mir eine kleine Wohnung und fing im Job an. Zuerst musste ich leider sehr viel Geld für die Ausbildung zahlen und der Lohn war nicht gerade viel. Dieser spezielle Job war es aber wert. Ich investierte sehr viel Geld und musste leider sehr viel Kredit aufnehmen. Mit dem Kredit gelang ich schliesslich in ein Schuldenloch! Ich durfte dann keinen Kredit mehr aufnehmen und hatte kein Geld mehr.

Nachdenklich sass ich an einem trüben Herbsttag im Bus und überlegte wie es jetzt mit mir weiter gehen sollte. Neben mich setzte sich eine etwa gleichalte Frau. Auf einmal erkannten wir uns wieder, die Frau die sich neben mich gesetzt hatte, war die damalige Obdachlose der ich Geld in den Hut geworfen hatte vor meiner Abreise nach Madrid. Wir kamen ins Gespräch und erzählten uns unsere Lebensgeschichten. Sie war mir von Anfang an sehr sympathisch. Umso mehr wir voneinander erfuhren, wurde uns klar, dass wir Halbschwestern sein müssen! Glücklicherweise konnte sie sehr viel erben und musste nicht mehr obdachlos sein. Sie hatte ein neues Leben in Madrid angefangen und bot mir an, dass ich bei ihr leben durfte. Dieses Angebot nahm ich natürlich an. So konnte ich wieder ein glückliches Leben führen, fing einen neuen Job an und mein Schuldenberg baute sich ab.

Ich denke ab und zu zurück und bin so dankbar, dass ich ihr damals die Münze gegeben hatte. Denn sonst wüsste ich heute noch nichts von meiner Halbschwester.