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Unter freiem Himmel genoss das Publikum auf Schloss Landshut in Utzenstorf die Premiere von «Die von Rosenau zu Landshut» und honorierte das originelle Schauspiel mit herzlichem Beifall.
Viel Vergnügen bereitete der originelle Freilicht-Theaterabend vor der Kulisse von Schloss Landshut. Denn das Publikum honorierte mit herzlichem Beifall, dass es sich nicht um das Remake eines x-beliebigen Theaterstoffs, sondern um die von Iris Minder geschaffene ideenreiche Groteske mit Laientheatergruppe und sich «blaublütig» gebärdender, fiktiver Familie «Von Rosenau auf Landshut» handelt.
Die Geschichte könnte einem von Herz-Schmerz triefenden Romanheftli oder sogar einem Rosamunde-Pilcher-Film entsprungen sein. Als augenzwinkernde Persiflage einerseits nimmt das Stück die scheinheilige Doppelmoral der Adelsfamilie Von Rosenau aufs Korn, andererseits widmet es sich den komödiantisch-kunterbunten Abläufen in der 19-köpfigen Laienschauspieltruppe.
Sprachlich hat Autorin Iris Minder dies überzeugend gelöst: Das Theaterstück um die verwickelten Liebesdinge der Blaublüter lebt vom gesprochenen Hochdeutsch. Ärger, Wünsche, Wutausbrüche und Anregungen der Mitspieler kommen mit heftigem Bauchgefühl in teils deftiger Mundart zum Ausdruck.
Trotz zur Schau getragener «Contenance» sind die Mitglieder der Adelsfamilie häufig nervlich am Ende. Und aus den Kulissen prescht im Spiel immer wieder die unzufriedene Bühnenmannschaft hervor.
Da beschweren sich, szenisch temperamentvoll verpackt als «Theater im Theater», Masken- und Kostümbildnerin bei der Regisseurin, die stets Zuflucht bei beruhigendem Yoga-Atmen nehmen muss, dass ihre wichtige Arbeit nicht genügend geschätzt werde. Zudem sei dies «ein blödes Stück mit seiner ewigen Schmuserei», meckern sie.
Auch die Kulissenschieber sind mit ihren Rollen als stumme Lakaien nicht zufrieden. Doch trotz vieler kleiner Proteste aller Mitwirkenden nimmt die «letzte Probe vor der Aufführung» ihren durch muntere Redeschlachten immer wieder unterbrochenen Fortgang. Zum köstlichen Bühnenchaos steuern sogar die Enten im Schlossgraben mit ihrem Geschnatter bei.
Mit harter Hand führt die sittenstrenge Rosalinde von Rosenau, eine ältliche Jungfer mit «einem Herzen aus eisigem Stein», ihren Familienclan. Ein wahres Weichei, eine «Memme», ist ihr Bruder Kunibert, der zwar die bürgerliche Bergdoktorin liebt, sich aber nicht zu ihr bekennt.
Seiner Herrin Rosalinde ganz ergeben ist Butler Albert, dem wiederum in der Rahmenhandlung die ehelich angetraute Kostümbildnerin seine Avancen gegenüber Rosalinde zänkisch ankreidet. Kuniberts Sohn Marius liebt die junge Rosengärtnerin Rosalia. Doch diese Verbindung wird von Tante Rosalinde unterbunden, weil sie mehr über das «seitenspringende» Vorleben ihres Bruders zu wissen glaubt.
Auf den Plan tritt mit Butler Hans zudem Tante Rosanna, ein wahrer Drachen, der auf Landshut ein strenges Regime einführen will. Hinter vorgehaltener Hand hört man aber, dass sie verarmt ist und sich in Landshut einnisten will. Zum Glück für alle verschwindet sie mit getürktem Einladungsbrief und Reisegeld in bessere Kreise nach England.
In hektischen Aktivitäten überschlägt sich das Geschehen, in dem Rosalinde plötzlich ihr liebendes Herz für den sie umwerbenden Albert entdeckt, Kunibert seine langjährig-lasterhafte Bettgeschichte mit der Bergdoktorin zugibt und Sohn Marius doch seine Liebste heiraten kann, weil sie beide, wie zuvor befürchtet, keine Geschwister sind.
Auch Hausmädchen Rosemareili, das stets mit spitzer Zunge die «hochnäsige Adelsattitüde» kommentiert, gehört zur Familie dank Fehltritt eines Ahnen, der aus dem Bilderrahmen seinen Senf dazugibt. Im allgemeinen Durcheinander der Liebeslustbezeugungen unterschiedlicher Paare ergreift das nun «neuadelige» Rosemareili seine Chance. Künftig wird es ganz unerbittlich weiter auf «Schicklichkeit und Disziplin» im Hause Von Rosenau achten.
Alberne Adelsehre und sentimentales Herz-Schmerz-Getue beherrschen das Stück nur auf den ersten Blick. Dialogwitz, Gags sowie deftige und feine Tonart vermitteln einen oftmals geradezu absurden Humor. In ihrer Regie gelingt Iris Minder die feine Balance zwischen sich atemlos überstürzenden Ereignissen und solider Bodenhaftung.
Alle Protagonisten, namentlich hier nicht einzeln benannt, weil es sich um eine inspirierte kollektive Leistung handelt, glänzen mit ausdrucksvollem Spiel und (akustisch verstärkter) Sprache. Die vor der Schlosskulisse aufwendig gestaltete Bühne ist gut ausgeleuchtet, zwingt wegen des Abstands zur Tribüne das Publikum gelegentlich aber zur genauen Identifizierung der gerade Sprechenden. Gesamthaft wahrt das unterhaltsame Stück den schmalen Grat zwischen ironisierender Satire und ausuferndem Klamauk.