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ETA muss ab 2020 keine Uhrwerke mehr an Konkurrenz liefern – regionale Hersteller orientieren sich neu. Sellita ist eine Alternative, jedoch hat die Firma Unterkapazitäten. Die Produktion von eigenen Uhrwerken kommt für viele nicht in Frage.
Drei von vier mechanischen Uhren, die in der Schweiz produziert werden, sind mit einem Uhrwerk der Grenchner Swatch-Group-Tochter ETA ausgerüstet. Man sollte meinen, das freut den Uhrenriesen. Denkste, genau dieser Umstand missfällt ihm.
Da nämlich die Swatch Group wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung alle Konkurrenten beliefern muss, verhalten sich einige Uhrenhersteller träge. Sie beschränken sich auf das Design und das Marketing und verkaufen die Uhren mit den günstigen ETA-Uhrwerken zu Preisen, die nur bei eigenen Werken gerechtfertigt wären.
Darum verlangte die Swatch Group bereits im Jahr 2011 von der Wettbewerbskommission (Weko), die eigene marktbeherrschende Stellung zu untersuchen. Im Oktober dieses Jahres haben sich nun die Swatch Group und die Weko im zweiten Anlauf geeinigt. Der Uhrenkonzern kann ab 2014 den Lieferumfang von mechanischen Uhrwerken an die Konkurrenz stufenweise verringern (siehe Kontext). Ein Entscheid, von dem auch regionale Uhrenhersteller betroffen sind.
Delma und Eterna sind betroffen
Der Uhrenhersteller Delma in Lengnau verkauft in einem Durchschnittsjahr rund 50 000 bis 60 000 Uhren. «Davon sind etwa 30 Prozent mechanisch und ein Teil davon mit ETA-Uhrwerken ausgerüstet», erklärt Geschäftsführer Fred Leibundgut. Darum sei der Entscheid für sie sicherlich nicht erfreulich. Trotzdem: «Es geht nicht gerade ums Überleben.»
Auch die Grenchner Traditionsfirma Eterna ist von dem Entscheid der Weko betroffen. Die Vereinbarung sei zu erwarten gewesen, erklärt Vice President, Samir Merdanovic. «Wir haben seit zehn Jahren wieder angefangen, mechanische Uhrwerke zu entwickeln und zu produzieren.» Ein Schritt, der für die Lengnauer Delma nicht möglich ist. «Keine Chance, Firmen in unsere Grösse können keine eigenen Uhrwerke herstellen. Es kostet nur schon Millionen, um ein Kaliber zu entwickeln», sagt Leibundgut. Von der Produktion wolle er gar nicht erst reden.
Für die unabhängigen Marken im unteren und mittleren Preissegment sollte also ein ETA-Ersatz her. Die unweit von La Chaux-de-Fonds beheimatete Sellita hat sich genau dies zum Ziel gesetzt. Bereits im Jahr 2011 stellte der ehemalige Montagebetrieb der ETA 800 000 eigene Uhrwerke her. Trotzdem: Im Vergleich mit der ETA ist sie immer noch sehr klein (ETA-Produktion wird auf über 5 Mio. Stück geschätzt).
Von der ETA wegkommen
Delma-Chef Leibundgut bezieht seit mehreren Jahren bei Sellita. «Sie sind jetzt halt der Notnagel der Uhrenindustrie, nur haben sie auch nicht die Kapazitäten für die ganze Branche», erklärt er. Auch Eterna kauft seit Jahren immer mehr Uhrwerke bei der Sellita ein, um die Abhängigkeit von der ETA zu vermindern. Und dies, obwohl Eterna seit 10 Jahren wieder selbst Uhrwerke produziert. «Heute reicht die Produktion noch nicht aus», erklärt Vice President Merdanovic. Sie seien aber daran, die Produktionszahlen zu steigern, um auch die Kosten zu reduzieren.
«Zum jetzigen Zeitpunkt sind nur noch zirka 20 Prozent unserer Uhren mit Kalibern von ETA ausgestattet», erklärt Merdanovic. Obwohl die jetzige Produktionsmenge an mechanischen Uhrwerken noch nicht für die eigenen Uhren reicht, bietet sich Eterna auch gleich selbst für die Konkurrenz an. «Unsere Türen sind offen. Wir sind zurzeit mit verschiedenen Interessenten im Gespräch», erklärt Samir Merdanovic. Ab 2014 soll das eigene Kaliber 3900 in Serie produziert werden.
Das grosse Schweigen der anderen
Weitere Uhrenhersteller in der Region wollen zum Entscheid und der Zukunft der Uhrenbranche nichts sagen. Daniel Schluep, CEO des Grenchner Uhrenherstellers Titoni, meinte nur, er wolle lieber keine Stellung dazu nehmen. «Das wäre nicht im Interesse der Firma.» Bei Fortis in Grenchen lässt der neue CEO über sein Sekretariat vermelden, er wolle sich im Moment nicht dazu äussern. Für ihn sei es noch zu früh. Eine kurze Stellungnahme gibt dafür Leander Wyss, Firmenchef der Jowissa in Bettlach, ab. «Wir sind nicht stark betroffen, weil wir vor allem Quarzuhren herstellen.»
Im Streit um die Lieferreduktionen von Uhrwerken der Swatch Group an andere Uhrenfirmen liegt im zweiten Anlauf eine Einigung auf dem Tisch. Diese gibt Swatch Group respektive deren Tochter ETA die Möglichkeit, die Lieferungen von mechanischen Uhrwerken stufenweise zu reduzieren. Dies entschied die Wettbewerbskommission (Weko) bereits im Oktober. Ab 2020 darf der Bieler Uhrenriese voraussichtlich selbst entscheiden, welche Firmen er in Zukunft mit mechanischen Uhrwerken versorgen möchte. Die Lieferverpflichtungen bei den Assortiments (Schlüsselkomponenten von Uhrwerken) bestehen aber vorläufig weiter. Auf diesem Punkt hatte die Weko beharrt, da eine Reduktion «aufgrund der derzeitigen Marktverhältnisse sowie der unsicheren weiteren Entwicklung in diesem Bereich» verfrüht sei. Die Weko hatte deshalb eine erste Vereinbarung ihres Sekretariats mit der Swatch Group Mitte Juli abgelehnt. Darin war vorgesehen, dass Swatch die gelieferte Menge an mechanischen Uhrwerken 2013 auf 85 Prozent und 2014 auf 75 Prozent der Menge des Jahres 2010 einschränken kann. Der nun genehmigte Vorschlag orientiert sich an der Verkaufsmenge im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2011: Diese kann Swatch in den Jahren 2014/2015 auf 75 Prozent, 2016/2017 auf 65 Prozent und 2018/2019 auf 55 Prozent reduzieren. Gemäss der Auflage müssen dabei alle Kunden gleich behandelt werden. Zusätzlich wurde eine KMU-Klausel vereinbart, mit der Härtefälle vermieden werden sollen. Der Entscheid betrifft rund 70 bis 80 Kunden der Swatch Group. (SDA)