Ausstellung
«Über das Erhaschen von ... » – vom Wort als Kunst in der Galerie Rössli in Balsthal

Im Thal präsentiert Verena Thürkauf neue Arbeiten und regt zum Nachdenken an: Wann ist Sprache noch Sprache? Wann ist ein Fragment ein Fragment? Und wann ein Ganzes für sich?

Eva Buhrfeind
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Eigentlich ist Verena Thürkauf eine Raumkünstlerin, die die vorgegebenen Örtlichkeiten raffiniert bespielt, meist simpel konzipiert, aber komplex im konzeptuellen Anspruch – wie zum Beispiel 2010 in der Galerie Rössli in Balsthal oder 2021 im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist.

Dabei ist die interaktive Kommunikation ein wesensbestimmendes Thema ihres Schaffens – die Sprache, das Verständigen im Grenzbereich von begrifflich und nicht begrifflich, lesbar und sich auflösend.

Verena Thürkauf zeigt ihr Schaffen erneut in der Galerie Rössli in Balsthal.

Verena Thürkauf zeigt ihr Schaffen erneut in der Galerie Rössli in Balsthal.

Eva Buhrfeind

Eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Zerfliessen von Sprache, was im Schlösschen Vorder-Bleichenberg eindrücklich zum Tragen kam, fordert in der aktuellen Ausstellung in der Galerie Rössli als zeichnerische Reflexion erneut die Wahrnehmung der Betrachtenden heraus.

Und gesteht ihm gleichzeitig die eigene Lesbarkeit zu, das eigene subjektive Wahrnehmen als eine vertiefende Spurensuche danach, was das Wort, was der künstlerische Akt ist. Denn der Inhalt ist – zumindest für die Betrachtenden – nicht wichtig, der minutiöse zeichnerische Akt chiffriert die Sprache auf der Grenze von begrifflich und nicht begrifflich, lesbar und sich auflösend, objektiv und subjektiv.

Vertiefung in die Liniengeflechte

Aber so einfach diese Arbeiten mit Kohle und Tusche irgendwo auf dem Grat von Abstraktion und figurativer Assoziation wirken – eher an fremdartige Kultur gemahnen mögen –, so komplex sind das Denkspiel und die minutiöse Bildentstehung dahinter.

Mit dem auf dem Papier liegenden Kohlestift formt Verena Thürkauf das Wort, verdreht, verkehrt die Lettern ineinander, die sie dann mit vertikalen Linien millimetergenau mit schwarzer oder brauner Tusche und dem Massstab präzise bis zur textilen Wirkung chiffriert, Kohle und Tuschelinie vereint und derart die Sprache als Ausgangspunkt, das Wort als Initial aufhebt.

Die mit dem Kohlenstift geformten und verdrehten Worte.

Die mit dem Kohlenstift geformten und verdrehten Worte.

Bruno Kissling

Man meint ein Wort lesen zu können, vertieft sich in die Liniengeflechte, folgt rätselhaften Spuren und entdeckt in der Vielfalt der Kompositionen die Einheit einer zeichenhaften Schrift – rätselhaften und vagen Schriftfragmenten gleich.

Schriftzeichen bruchstückhaft neu deuten

«Über das Erhaschen von ... » titelt die 1955 im Leimental geborene und aufgewachsene, seit 1975 in Basel lebende Künstlerin diese Ausstellung. Jetzt geht es um das Wort, das sich zu Zeichen, zu variationsreichen Kompositionen verselbstständigt, die im konsequenten künstlerischen Prozess zwar Signale des Lesbaren initiieren, aber eben subjektiv bleiben.

Man erhascht einen Buchstaben, ein Wort, entdeckt in der Serie «Fragil» im ersten Raum das Zerbrechlich-Wandelbare der Schrift. In den «Fragmenten» im Kellergewölbe hat Verena Thürkauf die Texte und Schriftzeichen bruchstückhaft neu gedeutet. Sie erinnern an uralte filigrane Textilien und reliktartige Schrifttafeln, deren Geheimnis sich in den auseinander genommenen Textbruchstücken auflöst – wann ist Sprache noch Sprache, wann ist ein Fragment ein Fragment und wann ein Ganzes für sich?

In ihren Arbeiten verweist Verena Thürkauf auf das Wechselwirkige objektiver und subjektiver Positionen: Wann ist das Wort noch ein Wort, wann formales Mittel zum künstlerisch-dialogischen Zweck? Dies kommt im mittleren Raum zum Ausdruck.

Die Worte mit Klebeband zusammengefügt.

Die Worte mit Klebeband zusammengefügt.

Bruno Kissling

Sieben Sätze füllen die Längswand. Mit fein violettem Klebeband zusammengefügt, steht jede Reihe für sich, lesbar und doch ohne tieferen Zusammenhang. Die Gedanken sind frei oder eben absurdes oder philosophisches Denkspiel.

Vernissage: Sonntag, 12. März, 11.30 Uhr. Geöffnet: Freitag, 18 bis 21 Uhr, Samstag, 15 bis 18 Uhr, Sonntag, 11 bis 14 Uhr. Ausstellung bis am 2. April.