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Die unbediente Annahmestelle für Geschäftskunden der Post in Oensingen stösst bei einer Anwaltskanzlei auf Kritik.
Seit Anfang Juli können Geschäftskunden der Oensinger Poststelle ihre Briefe und Pakete nicht mehr wie in der Vergangenheit bei einem Aussenschalter auf der Rückseite des Gebäudes einem Mitarbeiter der Post abgeben. Als Ersatz wurde auf dem südlich von Postgebäude gelegenen Parkplatz eine Garage zu einer Annahmestelle umfunktioniert. Der Zugang wird mittels eines Batchs gewährt, welchen die Post der Geschäftskundschaft abgibt.
Mit dieser reduzierten Dienstleistung der Post gar nichts anfangen kann die Anwaltskanzlei Wyssmann und Partner aus Oensingen. Bemängelt wird insbesondere, dass die Brief- und Paketpost in der unbedienten Abgabestelle offen in grauen Plastikboxen deponiert werden muss. Dadurch habe jede Person, welche den Raum betrete, die Möglichkeit, die Briefe auf ihre Zustell-Adresse hin zu prüfen. «Das geht gar nicht», betont SVP-Kantonsrat Remy Wyssmann mit dem Verweis auf die Verletzung des Briefgeheimnisses. Zu einer solchen komme es bereits, wenn sichtbar werde, wer zu den Klienten der Kanzlei gehöre.
Zudem bleibe das Tor nach dem Verlassen der Annahmestelle so lange offen, dass auch Leute ohne Batch hineingelangen könnten. Damit bestehe die Gefahr, dass trotz Videoüberwachung Briefe oder Pakete gestohlen werden könnten. Firmen, die ihre Post dort deponierten, müssten davon in Kenntnis gesetzt werden, findet Wyssmann. Um diesem Risiko aus dem Weg zu gehen, hat die Anwaltskanzlei ihren Batch wieder abgegeben. Die gesamte Post inklusive eingeschriebene Briefe werde wieder am Schalter abgegeben.
Keine Probleme mit der reduzierten Dienstleistung für die Geschäftskundschaft hat die Raiffeisenbank Gäu-Bipperamt, wie Andreas Furrer, Vorsitzender der Bankleitung, erklärt. «Wir haben aus Gründen der Wahrung des Bankgeheimnisses gar nie in Erwägung gezogen, die unbediente Abgabestelle zu benutzen.» Im Gespräch mit der Post habe man sich darauf geeinigt, die bisherige Praxis der Raiffeisen-Geschäftsstelle in Oensingen, sprich die Abgabe der Briefpost am Schalter, weiterzuführen.
Die Gemeinde Oensingen wird die wichtige Briefpost künftig auch am Schalter abgeben, erklärt Gemeindepräsident Fabian Gloor. Dies aus den Bedenken heraus, welche die Gemeinde dazu bewogen hatte, sich anfänglich wegen einer allfälligen Verletzung des Postgeheimnisses gegen die Schliessung der bedienten Annahmestelle für Geschäftskunden zu wehren. Im Gespräch mit der Post habe man sich auf eine Weiterführung des neuen Regimes geeinigt. «Wir wollen dem neuen System zuerst eine Chance geben, sich zu bewähren», so Gloor. Sollte es zu Reklamationen kommen, werde der Gemeinderat die Situation neu beurteilen.
Bei der Überprüfung der vom Anwaltsbüro monierten «Schwachstellen» stellt sich tatsächlich heraus, dass der Zugang zur Abgabestelle für Geschäftskunden auch für Unbefugte leicht zu bewerkstelligen ist. Begünstigt wird dies vor allem durch die lange Dauer von rund 70 Sekunden, bis das Garagentor nach dem Verlassen des Raums wieder durch eine Automatik geschlossen wird. Wer also lange genug wartet, kann sich in der Annahmestelle in aller Ruhe umsehen.
Post-Mediensprecher Markus Flückiger bestätigt auf Anfrage die lange Zeit bis zur Schliessung des Tors. Dieser Mangel sei aber inzwischen nach entsprechenden Meldungen der Kunden behoben worden. Bezüglich einer allfälligen Aufweichung des Postgeheimnisses verweist Flückiger auf die Vereinbarung mit den Kunden, in welcher die Nutzung und Hausordnung geregelt sei. Die unbediente Annahmestelle eigne sich für einfache und schnell hergerichtete Sendungen für das In- und Ausland, welche von Montag bis Freitag von 7 bis 18 Uhr aufgegeben werden könnten. Grundsätzlich seien alle Versandarten für Briefe inklusive Einschreiben sowie für Pakete möglich.
Am Schluss entscheide der Kunde, wie und wo er seine Sendung der Post übergebe. In Oensingen könne er dies am Schalter oder bei der unbedienten Geschäftsstelle machen. Solche Annahmestellen gebe es schweizweit an über 40 Standorten. «Die Kunden schätzen den einfachen Zugang und die langen Öffnungszeiten», so Flückiger.