Schlusslicht bei der Energieeffizienz und noch immer kein Energiegesetz: Die Solothurner Politik hat ihre Hausaufgaben für eine zuverlässige und klimafreundliche Energiepolitik nicht gemacht. Jetzt wird der Kanton wohl aus Bern übersteuert.
Viel ist passiert in den letzten Tagen: Der Amag-Konzern – reich geworden durch den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren – hat die Übernahme des Zuchwiler Solarpioniers Helion angekündigt; eines Unternehmens, das in den nächsten Jahren von 450 auf 1000 Angestellte wachsen will.
Die Amag glaubt an die Kombination von Photovoltaik und Elektromobilität: Die Batterien der Autos sollen zu einem grossen, dezentralen Stromspeicher werden. Es ist eine Wette auf die Energiezukunft, die die Amag eingeht.
Helion steht nicht alleine da unter den Solothurner Firmen, die die Energiewende mitgestalten: Die Elektrobusse der Bellacher Carrosserie Hess werden bis nach Australien geliefert. Und mit dem Solarpanelhersteller Megasol in Deitingen spielt ein weiteres Unternehmen vorne mit.
So innovativ die Solothurner Industrie scheint: So wenig ist es die Politik. Solothurn gehört zu den Schlusslichtern, wenn es darum geht, die Energiewende voranzutreiben. Der Gebäudepark – verantwortlich für 40 Prozent des Energieverbrauchs – ist wenig effizient, nirgends in der Schweiz wird so viel CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche ausgestossen wie hier. Inzwischen haben fast alle Kantone ausser Solothurn ein Energiegesetz zumindest aufgegleist, wenn es nicht bereits längst in Kraft ist.
In Solothurn ist seit dem Volksnein 2018 zu einem ersten Gesetz wenig gegangen. Es dauert noch Monate, bis ein neuer Entwurf kommt. Man hat erst ein Konzept, das obendrauf noch zögerlich ist. Kurz: Auf die Erneuerbaren hat man bisher zu wenig gesetzt. Man gestaltet in Solothurn wenig, sondern betreibt später den Nachvollzug dessen, was andere beschlossen haben.
Dabei war Solothurn einst ein Energiekanton, in dem die öffentliche Hand eine starke Rolle spielte und für eine sichere Energieversorgung weibelte: Man besass einen Anteil am Energieversorger Atel (später Alpiq), Leute wie FDP-Mann Walter Bürgi wechselten vom Regierungsrat in die Atel-Direktion. Die SP setzte sich für den Bau eines Atomkraftwerks ein – weil man günstige Energie für die Bevölkerung wollte. Doch dann gab die öffentliche Hand – schweizweit – die Fäden aus der Hand.
Solothurns rote Lampe erstaunt auch, weil mit Brigit Wyss seit 2017 eine Grüne für das Energiedossier verantwortlich ist. Dennoch ist es kaum vorwärtsgegangen. Inzwischen schiesst die SP ziemlich offen gegen die Regierungsrätin, deren Pragmatismus im bürgerlichen Lager gefällt, links aber aneckt.
Die Zurückhaltung erstaunt andererseits auch nicht. Solothurn ist nicht mit allzu vielen Finanzmitteln gesegnet. Der Kanton ist ein Ort des eher günstigen Wohnens – wo sensibel auf Kosten verursachende, politische Eingriffe reagiert wird. Und Wyss’ Pragmatismus dürfte zudem noch einen anderen Grund haben. Sie wird wissen, dass – bisher – ohne die FDP im Kanton keine Energiewende vorangetrieben werden konnte. Die Partei war es, die 2018 das damalige Energiegesetz abgeschossen hat. Und seither ist die Solothurner FDP nicht dadurch aufgefallen, die Energiewende vorantreiben zu wollen.
Im Gegenteil: Teile der Partei, namentlich die Hauseigentümerlobby, schiessen bereits wieder gegen jegliche möglichen Vorschriften, auch wenn die bisher bekannten Solothurner Pläne viel zögerlicher ausfallen als anderswo. Sogar tiefbürgerliche Kantone wie Glarus machen restriktivere Vorschriften. Dass ein Teil der Partei heute vor Vorschriften für Hausbesitzer warnt und damit die Energiewende bremst, der andere aber Staatshilfen für Unternehmen fordert, weil die Energiepreise in die Höhe schiessen, ist ein Widerspruch, den die FDP noch erklären müsste.
Doch vielleicht stellt sich die Frage im Kanton gar nicht mehr. Weil Kantone wie Solothurn nicht vorwärtsmachen, hat sich jetzt Bern eingeschaltet. Der Ständerat will unter dem Druck der aktuellen Krise Fakten schaffen und eine Solarpflicht für Neubauten einführen, obwohl das ein Zuständigkeitsbereich der Kantone ist. Es ist ein weiteres Beispiel, wie sich die Kantonspolitik mit nicht erledigten Hausaufgaben selbst zu marginalisieren droht.