Oekingen
Langstreckenläuferin Martina Strähl träumt von Rio

Martina Strähl aus Oekingen hat sich in den letzten Wochen in einer hervorragenden Verfassung präsentiert – das weckt Hoffnungen.

Jörg Greb (Text); Mirjam Ryser (Bild)
Drucken
Martina Strähl wurde am Kerzers-Lauf vor acht Tagen Fünfte und damit beste Nichtafrikanerin. Liegt Olympia drin?

Martina Strähl wurde am Kerzers-Lauf vor acht Tagen Fünfte und damit beste Nichtafrikanerin. Liegt Olympia drin?

Als eine der weltbesten Bergläuferinnen profiliert sich Martina Strähl seit Jahren. Als Marathonläuferin bestritt sie die Heim-Europameisterschaften vor anderthalb Jahren in Zürich und lief letzten September am Berlin Marathon mit 2:36:58 Stunden die zweitbeste Schweizer Zeit des Jahres nach Rekordhalterin Maja Neuenschwander. Doch jetzt zieht es Martina Strähl auf die Bahn. Dorthin, wo sie der hohen Belastung wegen ursprünglich kaum unterwegs war; wo sie aber 2010 an den Europameisterschaften in Barcelona lief. Martina Strähl nimmt am 9. April in Maia, Portugal, an den Iberischen Meisterschaften die 25 Bahnrunden des 10-km-Wettkampfs in Angriff.

Mit einer klaren Absicht: Strähl peilt die Limitefür die Europameisterschaften von Mitte Juli in Amsterdam an. 33:20 Minuten sind von der bald 29-Jährigen als Minimalwert gefordert. Eine anspruchsvolle Herausforderung. Drei Mal erst hat sie die Distanz auf der Bahn bestritten, das letzte Mal vor vier Jahren. 33:11,21 Minuten beträgt der Bestwert, mit dem sie sich für die EM 2010 qualifiziert hatte. Bei den beiden andern Wettkämpfen über die Distanz lag sie deutlich über dem nun verlangten Wert.

Dennoch ist Martina Strähl zuversichtlich. Auf den jüngsten Anstrengungen im Training und den Wettkampfresultaten des letzten halben Jahres baut sie. Bei den vorweihnachtlichen Stadtläufen erhielt sie erste aufbauende Anhaltspunkte, und die Ergebnisse dieses Jahres bestätigen sie. Am Reusslauf in Bremgarten Ende Februar gewann sie nicht nur, sondern unterbot auf der 11-km-Strecke ihre letztjährige Zeit um über 70 Sekunden. Und am Kerzers-Lauf vor acht Tagen sah sie sich als beste Nichtafrikanerin auf Platz 5 mit einer Steigerung von mehr als einer Minute zu 2015 mehr als bestätigt.

Gewissheit gewonnen hat Martina Strähl zudem, dass die neuen Trainingsimpulse unter Coach Fritz Häni anschlagen. «Ich trainiere viel, aber nicht mehr so viel wie früher, und diese Vernunft zahlt sich offenbar aus», sagte sie. Im Gegensatz zu Jörg Hafner, der Strähl bis 2013 betreute, verfügt Häni über mehr Zeit, um sich der Oekingerin anzunehmen. Zudem ist die örtliche Distanz weit geringer. Häni wohnt in Niederbipp. «Fritz ist für mich immer da, das tut enorm gut», sagt sie zum ehemaligen Waffenlauf-Seriensieger. Das ermögliche einen regen Austausch und eine wertvolle Aussensicht. Umfangmässig hat Martina Strähl zurückgeschraubt. «Früher hatte ich die Tendenz, viel zu viel zu wollen und zu tun», sagt sie. «Mittlerweile spüre ich besser, was mir guttut und was nicht.»

Im Wissen, dass ihr Körper den hohen Laufbelastungen und -umfängen kaum gewachsen ist, hatte sie die Laufanteile jahrelang sehr tief gehalten und ist aufs Velo oder den Stepper ausgewichen. Doch mittlerweile läuft die Athletin mit Masterabschluss in Psychologie und Teilzeit-Anstellung als Heilpädagogin im Kindergarten von Oberdorf bis zu fünf, sechs Mal die Woche. Und das in hoher Intensität. «Ich bin selber überrascht, mit welcher Qualität ich trainieren kann», sagt sie. Im Gegensatz zu früher sei sie aber nie länger als eine Stunde unterwegs.

Und das Qualitätsprogramm könnte sie noch weiterbringen. Neben der EM nämlich, böte sich ein noch reizvolleres Ziel: Olympia in Rio. Dafür aber gälte es, die Limite von 32:15 Minuten zu knacken. «Dass ich das jetzt schon schaffe, traue ich mir nicht ganz zu», sagt Martina Strähl. Die Hoffnung aber, am EM-Rennen dafür bereit zu sein, trägt sie in sich. Und wer weiss, vielleicht gelingt ihr an der Schweizer 10-km-Strassenmeisterschaft vom nächsten Samstag ein weiterer Schritt in die gewünschte Richtung.

Von der Herzpatientin zur Spitzensportlerin

Der operierende Arzt hatte recht damals vor 17 Jahren: «Jetzt kann Martina Spitzensportlerin werden.» Daran dachte das zwar quirlige, aber nicht auf Leistungssport ausgerichtete Mädchen nicht. Doch die Perspektive tönte aus anderer Warte verheissungsvoll: Der äusserst seltene Herzfehler, eine Lungenvene mündete in den falschen Herzvorhof, wie auch das Löchlein konnten in einer diffizilen, mehrstündigen Operation behoben werden. Intensiven körperlichen Belastungen stand nichts mehr im Wege. Und weg war das Schreckgespenst einer Lebenserwartung von kaum 30 Jahren.
Doch Martina Strähls sportlicher Weg – er führte von der Leichtathletik, übers Geräteturnen, dem Rudern wieder zur Leichtathletik – erfuhr einen weiteren Dämpfer. Mit 18 bremsten sie Herzrhythmusstörungen. Diese liessen sich aber mit einem einfachen Eingriff via Leiste beheben – was den Aufstieg zu einer Toplangstreckenläuferin endgültig ermöglichte. Heute, so sagt sie, «spielt mein Herz voll und ganz mit, bin ich überhaupt nicht mehr eingeschränkt». (gg)