Es fehlt an Fachkräften, gleichzeitig steigt bis 2030 der Pflegebedarf von älteren Menschen um mehr als das Doppelte an. Die Zukunft der Altersversorgung im Kanton Solothurn steht auf dem Prüfstand.
Es ist eine bekannte Entwicklung: Die Babyboomergeneration kommt langsam, aber stetig ins Pensionsalter. Ebenfalls kein Geheimnis ist es, dass Leute fortgeschrittenen Alters mehr Pflege brauchen als junge Menschen. Dieser Anstieg von potenziellen Patienten in naher Zukunft bereitet Pflegeeinrichtungen Kopfzerbrechen. Dies gilt unter anderem auch für die Spitex des Kantons Solothurn.
Die Prognosen deuten darauf hin, dass bis 2030 der Bedarf an Pflege- und Betreuungsstunden für Menschen über 65 Jahre, die die Dienste der Spitex in Anspruch nehmen, um mehr als das Doppelte ansteigen wird. Ebenso wird bei der Altersgruppe unter 65 Jahren ein deutliches Wachstum erwartet. Es stellt sich die Frage: Wie kann die Spitex diese Herausforderung bewältigen? Um Licht ins Dunkel zu bringen, diskutierten Expertinnen und Experten am Spätsommerforum im Alten Spital in Solothurn die verschiedenen Facetten der Thematik.
Erster Programmpunkt des Forums, das passend zur Dringlichkeit der zu diskutierenden Fragen mit dramatischer Musik eingeläutet wurde, war die Präsentation einer Studie der FHNW mit dem Titel «Die Spitex – Gewinn für die Gemeinden auf allen Ebenen?». Vorgestellt wurde diese von Titus Natsch, dem Geschäftsführer der Spitex Birs und gleichzeitig Auftraggeber der Arbeit:
«Wir wollten herausfinden, ob das Klischee «ambulant günstig und stationär teuer» auch wirklich der Wahrheit entspricht.»
Die Resultate hätten ein gemischtes Bild gezeigt: So sei die Spitex bis zur Pflegebedarfsstufe 8 günstiger als der Aufenthalt in einem Alters- und Pflegeheim. Im Vergleich dazu sei die Spitex Birs teurer in den Pflegekosten im Vergleich mit den betrachteten Altersorganisationen.
Die Gründe für den letztgenannten Punkt seien unter anderem, dass das Spitexpflegepersonal aufgrund der höheren Pflegekomplexität besser qualifiziert sein müsse. Ausserdem würden die Wegzeiten die Kosten für die Pflege in die Höhe treiben.
«Ich möchte allerdings klar festhalten, dass diese Arbeit nicht als Argumentarium gegen Alter- und Pflegeheime verstanden werden soll. Denn ich bin überzeugt, dass es sowohl ambulante als auch stationäre Pflege benötigt», schloss Natsch seine Präsentation.
Im Anschluss diskutierten fünf Experten und Expertinnen die Altersstrategie des Kantons Solothurn und die Rolle, welche die Spitex dabei spielt. Eine zentrale Herausforderung ist die Struktur der Altersversorgung in Zukunft. Barbara Leibundgut, FDP-Kantonsrätin und Gemeindepräsidentin von Bettlach preiste in diesem Zusammenhang, das seit einigen Jahren in Bettlach verfolgte integrierte Modell, an:
«Die Lage der Spitex in Bettlach, direkt im Alters- und Pflegeheim, erweist sich als äusserst effektiv und gut funktionierend.»
In die gleiche Kerbe schlug Peter Eberhard, der Chef des Gesundheitsamtes des Kantons Solothurn. Er unterstütze eine integrierte Planung von stationären und ambulanten Angeboten. Ihm schwebe eine grössere Flexibilität der Organisationen vor und damit einhergehend eine bessere Vernetzung der Versorger. So solle sichergestellt werden, dass die Fachleute am richtigen Ort eingesetzt werden können.
Wenig begeistert von der integrierten Struktur ist Sigrun Kuhn-Hopp, Präsidentin des Spitex Verbandes Solothurn: «Die Spitex ist heute nicht mehr einfach Langzeitpflege wie das früher Standard war, sondern macht wegen den frühen Spitalaustritten postakute Behandlungen.» Es könne nicht sein, dass die Spitex mit komplizierten Fällen unter der Federführung von Heimen ist.
Im Weiteren erörterte die Runde die Frage, wie dem imminenten Personalmangel begegnet werden könnte. Laut Peter Eberhard müsse man umdenken. «Klar wollen die vielen Pensionierten ihren verdienten Ruhestand geniessen. Viele sind jedoch nach wie vor gesund, sie könnten eine wichtige Rolle in der Nachbarschaftshilfe spielen», schlägt der Amtschef vor.
Hansruedi Stoll, Pflegeexperte und Leiter Palliative Care Fricktal ergänzte, dass heute bereits einige Arbeiten durch technische Mittel übernommen werden können, jedoch stehe und falle die ambulante Versorgung mit der Beteiligung der Angehörigen. Diese müssten stärker unterstützt werden.
Schliesslich wurde auch über die Finanzen diskutiert. Titus Natsch befürwortete die Idee, dass es gewisse Leistungsangebote gäbe sowie einen Topf mit Geld und dann entschieden wird, welche Lösung für die Person am sinnvollsten ist. Er verspreche sich damit eine weniger starke Ausspielung von Spitex und Heimen.