Sinfonieorchester
Kampf und Befreiung: Beim Sinfoniekonzert in Biel wurden zwei Stücke zum ersten Mal vor Publikum gespielt

Das Sinfonieorchester Biel Solothurn hat am Mittwochabend im Kongresshaus Biel das Konzert «All you need is revolution» gespielt. Die neuen Stücke «Halim» und «Bang Bang!» erzählen nicht von einer politischen Revolution, sondern von einer individuellen.

Sophie Deck
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Im Stück «Bang Bang!» von Marco Pérez geht es um den Kampf zwischen dem Individuum und der Gesellschaft.

Im Stück «Bang Bang!» von Marco Pérez geht es um den Kampf zwischen dem Individuum und der Gesellschaft.

José R. Martinez

Dirigentin Elena Schwarz nimmt ihre Maske ab und es wird still im Saal. Die Musikerinnen und Musiker des Sinfonieorchesters Biel Solothurn legen die Bögen an die Geigen, die Finger an die Flöten und atmen ein – die Streicher tragen ihre Masken noch. Sie sind schwarz, passend zur Bekleidung.

Beethoven erklingt. «Die Geschöpfe des Prometheus», die Geschichte der Auflehnung eines Einzelnen gegen ein Herrschaftssystem. Das Sinfoniekonzert, das am Mittwochabend im Kongresshaus in Biel gespielt wurde, hiess «All you need is revolution».

Die Stücke waren entweder passend zum Titel ausgesucht oder geschrieben worden. Beethovens Ballettmusik tauchte immer wieder auf. Sie wurde unterbrochen vom Percussion-Stück «Rebonds B» von Iannis Xenakis und dem Posaunenstück Sequenza V von Luciano Berio. Und dann noch von zwei Stücken, die an diesem Abend zum ersten Mal von einem Publikum gehört wurden.

Das Klavier und Orchesterkonzert «Halim» von Komponist Adam Maor, sowie das Konzert für Bassklarinette und Orchester «Bang Bang!» von Komponist Marco Antonio Pérez Ramírez, der seit 2013 auch Orchestermanager des Sinfonie Orchesters Biel Solothurn ist. Beide Stücke nehmen das Thema Revolution auf unterschiedliche Weise auf.

«Bei ‹Halim› geht es um eine Befreiung», sagt Komponist Adam Maor. Die Revolution, von der das Stück erzähl, ist nicht spezifisch politisch, sondern kann auch die Revolution eines Einzelnen sein.

«Ich wollte die Frage erforschen: Was passiert, wenn der Pianist seine Hände vom Klavier nimmt?»

, erklärt der Komponist. Damit meint er die Töne, die vom Klavier erklingen, wenn keine Taste gedrückt wird – zum Beispiel durch die Pedale.

Dazu liess er in seinem Stück die Pianisten Tastenkombinationen drücken, die erst einmal nicht melodisch anmuten. Doch:

«Es geht darum, was bei einem geschichtlichen Ereignis nach dem Aufruhr passiert. Auch wenn das Ereignis gewaltvoll oder auch unverständlich war, kann das, was danach kommt, oft wunderschön sein», sagt er. Die Töne des Klaviers, wenn die Tasten nicht mehr gedrückt werden, stehen für ihn dafür. Und in diesem Moment werde der Zuhörer befreit.

Ausschnitt aus «Halim» von Adam Maor:

José R. Martinez

Maor widmet das Stück einerseits dem Komponisten Halim El Dabh (1921–2017) und andererseits seiner kürzlich verstorbenen Komponistenkollegin und Freundin Tabea Honegger.

Ein gewaltsames Ende und ein neuer Anfang

Auch in Marco Pérez Stück geht es nicht um eine politische Revolution, sondern um die des Einzelnen: «Es behandelt eine philosophische Frage: Wie kann man ein Individuum, das allein ist, dazu bringen, mit der Masse zu leben?», sagt er. Dafür müsse sich das Individuum an Regeln halten.

Der Kampf, der dabei zwischen dem Individuum und der Gesellschaft entsteht, stellt Pérez in «Bang Bang!» dar. Die Solistin spielt ihre Bassklarinette im Kampf gegen das Orchester, das versucht, sie dazu zu bringen, sich anzupassen.

«Es fallen Schüsse, Türen knallen zu ... Und dann, vor allem, ein neuer Anfang. Etwas, das gewaltsam endet – und man hofft, dass etwas Neues beginnt»

, sagt der Komponist.

Ausschnitt aus «Bang Bang!» von Marco Antonio Pérez Ramírez:

José R. Martinez

Als Orchestermanager sei Pérez mit dem gesamten Konzert zufrieden, auch wenn er sich mehr Zeit zum Vorbereiten gewünscht hätte.

«Es ist ein besonderes, kompliziertes Konzert. Für diese Musik hätten wir zusätzliche Proben gebraucht, aber wir wussten von Anfang an, dass wir die nicht haben würden. Aber die Dirigentin Elena Schwarz ist grossartig, ein grosses Talent, und die Solisten auch. Das Orchester hat sehr gut reagiert.»

Ob die beiden neuen Stücke, «Halim» und «Bang Bang!» wieder gespielt werden, ist noch nicht klar. Doch beide Komponisten hoffen es sehr.

«Das ist das Problem der klassischen Programmgestaltung, die sich oft nicht traut, zeitgenössische Werke aufzuführen», sagt Pérez. Ein Problem gegen das er mit seinem Orchester anzukämpfen versucht.

Das Sinfoniekonzert des Sinfonieorchester Biel Solothurn begann mit «Die Geschöpfe des Prometheus» von Ludwig van Beethoven.
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Als erstes wurde Beethoven unterbrochen vom Percussionstück «Rebonds B» von Iannis Xenakis.
Als Nächstes kam eines der neuen Stücke: Das Klavier und Orchesterkonzert «Halim» von Adam Maor.
«Auch wenn das Ereignis gewaltvoll oder auch unverständlich war, kann das, was danach kommt, oft wunderschön sein», sagt Adam Maor zur Metapher in seinem Stück.
Maors Stück war gefolgt vom Posaunenstück Sequenza V von Luciano Berio.
Dieses sorgte nicht nur im Publikum für Gelächter, sondern auch bei Dirigentin Elena Schwarz.
Danach spielte das Sinfonieorchester das zweite neue Stück: Das Konzert für Bassklarinette und Orchester «Bang Bang!» von Marco Antonio Pérez Ramírez.
«Es behandelt eine philosophische Frage: Wie kann man ein Individuum, das allein ist, dazu bringen, mit der Masse zu leben?», sagt Marco Pérez zu seinem Stück.
Alle Streicher trugen Masken: Passend zu ihrer Bekleidung in Schwarz.
Orchestermanager Pérez ist mit dem gesamten Konzert zufrieden, auch wenn er sich mehr Zeit zum Vorbereiten gewünscht hätte. Auf dem Bild sieht man den Posaunenspieler von Sequenza V.
«Die Dirigentin Elena Schwarz ist grossartig, ein grosses Talent, und die Solisten auch. Das Orchester hat sehr gut reagiert», zieht Pérez Bilanz.

Das Sinfoniekonzert des Sinfonieorchester Biel Solothurn begann mit «Die Geschöpfe des Prometheus» von Ludwig van Beethoven.

José R. Martinez

Ausschnitt aus «Die Geschöpfe des Prometheus» und Sequenzia V:

José R. Martinez