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Ein Solothurner Startup verspricht die schnellste Skimiete der Welt. Drei Klicks und wenig später sollen die Ski bereit stehen. Nicht nur das, es soll Minuten genau abgerechnet werden. Aber funktioniert die App Hyll tatsächlich? Und rechnet sich das?
Die Sätze sind eingängig, ja, verführerisch: «The Uber of Skiing» (Das Uber des Skifahrens) – «Join the revolution» (Werde Teil der Revolution). Man wolle Mensch und Berg verbinden. Mit einem einzigartigen Plattform-Ökosystem, einer starken Community. Das verspricht Hyll mit seiner gleichnamigen App. Laut Selbstbeschrieb bietet sie die «schnellste Ski-Miete der Welt». Downloaden, drei Mal klicken und los gehts.
Da nehmen ein paar den Mund ziemlich voll, denke ich. Mal schauen, was die drauf haben. Es ist kurz nach 22 Uhr, als ich die App nach einem langen Arbeitstag auf der Zugfahrt nach Hause herunterlade und mich bei Hyll anmelde. Das Angebot ist verlockend: Ich könne ohne Ausrüstung in die Gondel, die Skis oben bei der Bergstation abholen und unten im Tal abgeben, ich bezahle nur, solange ich auch fahre.
Dann die Equipment-Auswahl. Premium, natürlich. Auf Skischuhe, Stöcke und Helm verzichte ich. Dank Einführungsrabatt kostet mich das zwischen 25.60 und 51.20 Franken. Je nachdem wie lange ich tatsächlich fahre. Auch bei Mehrtagesmieten wird nach Nutzung abgerechnet, wobei sich der Tagespreis automatisch reduziert. Weil ich ein Neuling bin, muss ich jetzt noch Geschlecht, Fahrertyp, Körpergrösse, Gewicht und Schuhnummer eintippen. Ebenso die Kredikartenangaben. Per Klick bestätigen. That’s it. Meine Skis stünden abholbereit bei der Bergstation auf dem Männlichen. Am Folgetag.
Die haben nicht mit mir gerechnet. Ich stelle den Wecker auf 6.00 Uhr. Um 6.30 Uhr sitze ich im Zug nach Grindelwald. Mal schauen, ob die das packen, wenn ich so spät reserviere und dann um 8.30 Uhr im Geschäft stehe, um die Skis abzuholen. Spoiler: Nichts ist bereit – zu den genauen Gründen später mehr. Aber der Intersport-Fachmann schaltet schnell. Ski auswählen, einstellen, QR-Code bei der Hyll-Station einscannen und vier Minuten später bin ich auf der Piste. Noch liegt sie im Schatten des Eigers, so früh ist es.
Kurz nach 9 Uhr peile ich den Honegg-Skilft an. Ich teile den Sessel mit einem Wirtschaftsinformatiker. Wir kommen ins Gespräch. Ich erzähle von meinem App-Test, dem flexiblen Preismodell, der minutengenauen Abrechnung. Der Mann überlegt kurz, sagt dann: «Das kann sich kaum rechnen für die Sportgeschäfte. Da werden früher oder später die Bergbahnen mitfinanzieren müssen.» Die Kritik sitzt.
Anfang Nachmittag konfrontiere ich Michael Koch damit. Er ist Geschäftsführer der Hyll AG, eines von vier Gründungsmitgliedern. Er sagt: «Wir haben mit unserem Partner Intersport viel Zeit darauf verwendet, alles zu kalkulieren.» Auch deshalb zahlt man für mindestens vier Stunden. Koch hat auch eine Erklärung bereit, warum meine Skis nicht bereit waren: Er habe sie zurückgehalten, um mich persönlich zu empfangen. Genau das aber wollte ich nicht: ein Presse-Wohlfühl-Erlebnis. Jetzt aber stehen die Skis für den kommenden Tag in den Boxen schon bereit. Es kam auch schon vor, dass sie im Verlauf des Tages nachladen mussten. Das Geschäft zieht an.
Hyll ist noch in der Testphase, erst in Grindelwald aktiv. Schon nächste Saison will man in den zehn grössten Schweizer Skigebieten präsent sein. In zwei Jahren vielleicht schon im Ausland. Das Mietgeschäft boomt – und es ist grenzenlos. Von 25 Millionen Skitagen in der Schweiz wird schon heute mehr als die Hälfte auf Mietski gemacht. Die Franzosen kommen auf 50 Millionen Skitage, wobei der Mietanteil bei über 70 Prozent liegt. Und ein Markt wie China ist erst am Entstehen.
Das Geschäft brummt. Das haben auch die Sportfachgeschäfte erkannt. Aber eine unabhängige Plattform gibt es nicht. Geschweige denn eine App. Am nächsten komme Hyll Getmyski.com, die Plattform von Stöckli (siehe Interview), so Koch.
Ihren Riecher für zukunftsträchtige Geschäfte haben die Hyll-Gründer bewiesen. Zwei von ihnen waren beispielsweise für Neeo tätig. Ebenfalls ein Startup aus Solothurn. Das Produkt: Eine Fernbedienung für alles, das ultimative Gerät für das Smarthome. Anfang 2019 wurde Neeo von einem börsenkotierten US-Unternehmen aufgekauft. Für weit mehr als zehn Millionen US-Dollar.
Die Zeit vor dem Verkauf sei stressig gewesen, erinnert sich der ehemalige Finanzchef Koch. Danach seien sie alle zusammen nach Laax Skifahren gegangen. Eine halbe Stunde hätten sie damals gewartet, bis alles bereit war. Da entstand die Idee für Hyll. Ausgerichtet ist die App auf die Bewohner der städtischen Agglomerationen. Auf Leute, die es gewohnt sind, ihr Taxi via App zu bestellen. Oder das E-Bike mir dem Smartphone freizuschalten.
Irgendwann soll man auf Hyll auch seine Ausrüstung bewerten können. Bis zu fünf Sterne, wenns gefällt. Dann kriegt man beim nächsten Mal dasselbe Material. Später könnten auch Game- Elemente eingebaut werden. Ideen seien da. Über 1000 User haben sich seit Beginn der Testphase Ende Januar angemeldet, einige dutzend haben bereits gemietet. Einzelne hätten gar erst im Zug ihr Equipment ausgewählt und eine Stunde ihre Skis abgeholt.
Mein Skitag neigt sich derweil dem Ende zu. Talabfahrt. Ski-Geschäft suchen, QR-Code scannen. Die Maximalmiete leuchtet auf, 51.60 Franken. Zu schön das Wetter, zu spannend die Gespräche. Mein Fazit: Revolutionär ist Hyll nicht, aber das Potenzial der Plattform zweifellos gross, sehr gross sogar.
Es ging runter, fast so rasend schnell wie Beat Feuz am Lauberhorn. Wurden Mitte der 80er-Jahre in der Schweiz noch 500000 Paar Ski verkauft, waren es 2016/17 gerade noch 185000. Der Markt ist eingebrochen, aber in den letzten beiden Wintern stiegen die Absätze wieder leicht. Dank der guten Winter, aber auch dank einem Boom des Mietgeschäfts. So eindeutig der Trend, so schwierig ist es an Zahlen zu kommen. Bei den beiden grössten Sporthändlern der Schweiz, Ochsner Sport und SportXX, heisst es unisono: «Wir kommunizieren keine Zahlen.» Den Trend aber, den bestätigen beide bereitwillig. Bei Ochsner heisst es: «Wir konnten bei unseren Service-Dienstleistungen wie der Skivermietung in der laufenden Saison bereits wachsende Zahlen verbuchen.»
Bei SportXX heisst es, dass die Miete «immer populärer» werde. Und: «Wir spüren, dass die Kunden gerade jetzt, wo der Winter im Flachland quasi inexistent ist, mit dem Kauf von Skis zurückhaltend sind und für die Tage in den Bergen lieber mieten.» Man gehe davon aus, dass sich dieser Trend in naher Zukunft auch auf weitere Ausrüstungs- und Sportgegenstände ausweiten werde. Mieten statt kaufen – verliert der Besitz tatsächlich an Bedeutung?
Der Trend deutet klar darauf hin, sagt auch Christian Gut, Marketingleiter von Stöckli (Interview nebenan). Darauf deuten die Zahlen der letzten Jahre hin. Gut sagt: «Man kann davon ausgehen, dass heute mehr als die Hälfte aller Skitage auf Mietski geschehen.» Der Trend dürfte anhalten. Wo genau das Ende liegt, wagt Gut nicht zu prophezeien. Aber eines ist für ihn klar: «100 Prozent Miete wird es nie geben, weil es immer Leute geben wird, die ihre eigenen Ski wollen.»