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Kanton Solothurn
Die Oberdörferin Brigitte Cornu liebt ihren Beruf als freischaffende Pflegende liebt. Das Problem: Er werde im Kanton noch nicht recht entlöhnt. Derzeitiger Zankapfel: Die sogenannte Restkosten - die in der Pflege, aber nicht direkt beim Patiententenbesuch entstehen.
Ein Hick-Hack, das schweizweit nur im Kanton Solothurn ausgetragen wird: der Streit um die Restkosten. Auf der einen Seite stehen Kanton und Gemeinden, auf der anderen die freischaffenden Pflegenden mit ihrem Anwalt. Darum geht es: Bis 2018 ging man im Kanton davon aus, dass es in der freiberuflichen Pflege keine sogenannten Restkosten gibt.
«Zusammengefasst sind das Aufwendungen, die anfallen, wenn man arbeitet, aber nicht direkt am Bett des Patienten steht», fasst Brigitte Cornu zusammen. Die 57-Jährige sitzt am Küchentisch im Einfamilienhaus in Oberdorf, wo sie mit Tochter und Enkelin zusammenlebt. Cornu gehört zu den Freiberuflichen im Kanton, seit über 40 Jahren ist sie ausgebildete Fachfrau, seit rund drei Jahren selbstständig unterwegs.
Für bestimmte Leistungen gelten Tarife, nach denen die Krankenkassen abrechnen. Also ist etwa bei einer Wunde, die Cornu versorgt, einem Verband, den sie wechselt, der Insulinspritze oder der Grundpflege, die sie macht, klar, was sie dafür erhält. Nur gibt es laut der Oberdörferin auch eine ganze Menge Arbeit, die nicht vergütet wird. Oder bei der es zumindest nicht so klar ist. Die Planung, die Cornu macht, administrative Arbeiten. Weiterbildungen, die sie als Freiberufliche jährlich absolvieren muss. Als Leistung abgelten lassen kann sie das nicht, obwohl die öffentliche Hand für die Restkosten aufkommen muss.
Genau das ist aber das Problem. Weil man laut kantonalem Gesetz bis 2018 davon ausging, dass es keine Restkosten gibt, wurden diese auch nicht vergütet. Freischaffenden wie Cornu fehlt aus dieser Zeit einfach Geld. «Ich habe Familie», erzählt Cornu in der Küche, während im Untergeschoss Tochter und Enkelin spielen. Auf ihr Geld zu warten, könne sie sich nicht leisten.
«Das Gesundheitswesen leidet unter Personalmangel», so Cornu, die auch schon in Heimen und Spitälern gearbeitet hat, «und zwar nicht erst seit Corona». Sie habe sich entschlossen, selbstständig zu werden, um nicht länger immer längeren Schichten, sinkenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt zu werden. «Das ist auch ein Risiko für mich. Ich bin jetzt Kleinstunternehmerin», das ginge auch anderen Freiberuflichen so.
«Wir machen von A bis Z das, was eine Organisation wie die Spitex auch macht», so Cornu. Nur dass eben für das Administrative nicht eine Person eingestellt sei, die für ein fixes Pensum bezahlt ist. Zwar werden Restkosten seit 2019 anerkannt. Und auch Restkosten, die bis 2018 anfielen, können eingefordert werden – diese Haltung vertritt auch der Kanton.
In der Praxis ist es aber ein Hickhack: Bis vor kurzem lehnten die Gemeinden die Forderungen der Freiberuflichen ohne einsprachefähige Verfügung ab. Das hat sich inzwischen geändert, befriedigend ist die Situation aber noch nicht. Freiberufliche müssen bei Nichteintreten auf ihre Forderungen Einsprache erheben, um eine Chance zu haben, an ihr Geld zu kommen.
«Ich liebe meinen Job. Ich liebe die Pflege», sagt Cornu. «Aber ich komme mir vor, als müsste ich für mein Geld betteln. Ich begreife das nicht.» Dies in Bezug etwa auch auf die Wegkosten, welche die Gerichte auch schon beschäftigt haben. Also Kosten, die bei Hin- und Rückreise zu Patienten entstehen. Freiberufliche können diese verrechnen – 40 Prozent werden davon aber abgezogen. «Ich begreife nicht, warum mein Auto 40 Prozent günstiger sein sollte als ein Auto der Spitex», sagt Cornu.
Bis Ende Jahr wollen Kanton und Freiberufliche das Thema der Restkosten, der rechtskonformen Entschädigung für die Freiberuflichen klären. Cornu fasst ihren Wunsch in einem Satz zusammen: «Ich will fairen Lohn. Fairen Lohn für gute Arbeit.»