Startseite
Solothurn
Grenchen
SWG-Geschäftsführer Per Just investiert in Vogelschutz beim Windpark auf dem Grenchenberg. Dieser steht zwar noch nicht, die Radaranlage zum Schutz der Zugvögel ist aber bereits in Betrieb genommen.
Noch steht der Windpark auf dem Grenchenberg nicht. Nur ein kleines, privates Windrad, vergleichsweise winzig gegenüber den sechs Kolossen von rund 150 Meter Höhe, die dereinst auf dem Berg stehen sollen, wird von der starken Bise angetrieben. Und doch wurden in den letzten Wochen hier bereits die ersten Installationen für den Windpark gemacht. Letzte Woche nahm man «Birdscan» in Betrieb, eine Radaranlage, die vorbeifliegende Vögel erfassen und zählen kann.
Nicht nur das: Wenn eine gewisse Anzahl überschritten wird – während der Zeit des Vogelzugs beispielsweise, wo grosse Schwärme von Vögeln den Jura süd- oder nordwärts überqueren – soll das Gerät künftig die sechs grossen Turbinen anhalten können. Etliche Vögel würden sonst an den Rotorblättern ihr Leben verlieren. Denn die Flughöhe der Zugvögel und der Fledermäuse liegt just auf der Höhe der Windräder. Dem Radargerät liegt eine Idee des Branchenverbands «Swiss Eole» und der SWG zugrunde: Man wollte ursprünglich bereits bestehende Wetterradaranlagen für die Vogelerfassung benutzen. Da diese Radaranlagen aber nicht für eine bodennahe Überwachung geeignet sind, suchte man die Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Sempach – daraus entstand «Birdscan».
Birdscan überwacht den Luftraum in einem kegelförmigen Raum über dem Gerät. Rund 1800-mal pro Sekunde sendet das Radargerät einen Puls in vertikaler Richtung und misst die Echos, die zurückkommen. Die Resultate werden dann per Richtstrahlantenne in ein Rechenzentrum gesendet und dort automatisch verarbeitet. Die Software ist dann nicht nur in der Lage, die Anzahl und Flugrichtung der Vögel festzustellen, die sich gerade über dem Gerät befinden, sondern sogar die Art anhand des Flügelschlagmusters genau zu bestimmen. Wird ein festgelegter Schwellenwert der Anzahl Vögel überschritten, erfolgt eine zeitgleiche Abschaltung der Rotoren. Die Rotorblätter werden senkrecht zur Windrichtung und etwas darüber gestellt, was sie innerhalb von etwa 30 Sekunden zum Stehen bringt. Sobald der Schwellenwert wieder unterschritten wird, schaltet sich die Anlage wieder ein, die Rotorblätter werden wieder in die Antriebsstellung gedreht.
Momentan ist Entwickler Thomas Steuri mit der Optimierung von Birdscan beschäftigt. Noch in diesem Jahr soll es möglich sein, Vögel und Fledermäuse unterscheiden zu können. Auch müssen die Messdaten noch besser ausgewertet werden, denn das Radar erfasst sogar Mücken und Fliegen in einem Kilometer Höhe und sendet diese Daten ebenfalls ins Zentrum. Das sind Daten, die dann zuerst herausgerechnet werden müssen. (om)
Auf dem Grenchenberg steht nun die erste Anlage der Schweiz auf einem Trafohäuschen. Entwickelt wurde der Vogelradar von Peter Steuri von der Vogelwarte und in den letzten Jahren kommerzialisiert. Mittlerweile ist für den Einsatz und die Vermarktung die Berner Firma «Swiss Birdradar Solution» verantwortlich, deren Geschäftsführer Urs Seiffert letzte Woche als Projektleiter Windpark auch an der Sitzung des Gemeinderates teilnahm, als dieser den Windpark einstimmig befürwortete. Die SWG machte eine rund 300 000 Franken grosse Investition in ein Gerät, das in den grossen Windparks in Norddeutschland inzwischen mancherorts gute Dienste leistet.
Von Beginn an geplant
Dass eine solche Anlage zum Schutz der Vögel zwingend auf dem Berg montiert werden sollte, das wusste man schon seit längerem. Umweltschutzverbände und der Schweizerische Vogelschutz SVS hatten sich dafür starkgemacht, wie Per Just, Geschäftsführer der SWG, erklärt: «Über ein Jahr lang wurden beispielsweise mit Schallmessgeräten die Flugbewegungen von Fledermäusen untersucht und registriert. Man weiss also ziemlich genau, welche Fledermausarten in welcher Anzahl hier auf ihren Wanderungen vorbeifliegen.»
Die Vogelradaranlage war Teil des Projekts «Windpark auf dem Grenchenberg» von Beginn an. Denn dies mache auch wirtschaftlich Sinn, erklärt Just. Ohne ein solches Gerät müsste man die gesamte Anlage in der Zeit des Vogelzugs während langer Zeit komplett abstellen, und das ausgerechnet im Herbst, wo man üblicherweise mit viel Wind rechnen könnte. Mit dem Gerät, das die Anzahl Vögel misst und automatisch bei zu hoher Vogeldichte die Anlage abschaltet, müsse man mit weniger als 100 Abschaltstunden pro Jahr rechnen. Die Investition sei so innerhalb weniger Jahre amortisiert.
Doch nicht nur Zugvögel sind gefährdet, auch in der Nähe der Windturbinen brütende Vogelarten und lokale Greifvögel wie Milane und Wanderfalken können mit den Windrädern zusammenstossen. Auch hier suchte man nach Lösungen, denn «Birdscan» ist hier wirkungslos (siehe Kasten). «Wir werden Waldränder und Gebiete ausserhalb der Windanlagen für diese Vögel interessanter machen. Auch werden die Bauern, wenn sie die Wiesen mähen, nicht in der Nähe der Anlagen damit beginnen, sondern an entfernten Stellen. Greifvögel sehen dann ihre Beute auf den gemähten Flächen eher und werden dort jagen und fressen, bevor die Wiesen unterhalb der Rotoren gemäht werden, wo sie gefährdet sind», erklärt Just.
Tolerable Restmortalität
Wie hoch die Anzahl getöteter Vögel trotz aller Massnahmen sein wird, weiss man nicht. Aktuell stehen nur gerade 35 Windturbinen in der Schweiz und Erfahrungswerte fehlen bisher. Laut Auskunft des Branchenverbands Suisse Eole ist ein Ausbau auf rund 1000 Anlagen in der Schweiz realistisch. Und insbesondere, weil diese Anlagen genau dort gebaut werden, wo es Wind gibt, also auf Bergen und im Jura, dort, wo auch der Vogelzug durchführt und seltene Brutvögel wie die Heidelerche leben, verschärft sich das Problem entsprechend. Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde für den Windpark auf den Grenchenbergen eine «tolerable Restmortalität» festgelegt und vom Bundesamt für Umwelt genehmigt.
Man geht von einer Million Vögel aus, die jährlich in der Schweiz durch den Verkehr oder an Fensterscheiben ihr Leben verlieren. Windkraft sollte diese Zahl nicht drastisch erhöhen. Laut Angaben der Vogelwarte wäre ein Prozent mehr vertretbar, also 10 000 tote Vögel. Das heisst, pro Windanlage und pro Jahr beträgt die Restmortalität nur noch gerade zehn Kollisionsopfer. Wie viele Tiere tatsächlich ihr Leben lassen, wird man mit aufwendigen Studien feststellen und dann den «Birdscan» entsprechend neu justieren müssen. Und da sich die Vögel und Fledermäuse weder an Landkarten noch an Uhr- und Kalenderzeiten halten, wird man diese Untersuchungen für jede Anlage ständig wiederholen müssen.