Uhrenstadt
Zeitloses über Zeitmesser

Kurt Boner
Kurt Boner
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Sammlerobjekt: Felca, Vorgängermarke von Titoni.

Sammlerobjekt: Felca, Vorgängermarke von Titoni.

Oliver Menge

Der Jurasüdfuss mit der Uhrenhauptstadt Grenchen hat in den letzten Jahrzehnten mit Mikrotechnik und Emotionen verwobene Geschichten produziert. In loser Abfolge soll meine seit einigen Jahren wiederaufgeflammte technische Begeisterung anhand einer feinen und kleinen Sammlung von zeitlosen Uhren bildlich und textlich zum Ausdruck kommen.

Die Sammlung konzentriert sich vor allem auf die 70er-Jahre, in der ersten Hälfte des Jahrzehnts wurden noch grossartige Uhren produziert, in der zweiten Hälfte wurde die grosse Krise manifest und zog die Firmen in den Niedergangsstrudel. In diesen Jahren spielt sich natürlich auch meine persönliche Uhrmachervergangenheit ab, dies fliesst in die Betrachtungen ein.

In der Region Grenchen – ich zähle grosszügig Lengnau und Solothurn dazu – kamen stolze und starke Manufakturen (die Firmen stellten eigene Uhrwerke her) wie «Certina» in Grenchen, «Roamer» in Solothurn und Mümliswil, «Enicar» in Lengnau und Oensingen und die «Lanco» in Langendorf.
Jede dieser Firmen hat eine Geschichte, auch eine eigene Niedergangsgeschichte. Mehr schlecht als recht hielt sich vor allem in den letzten Jahren die einst so tolle Marke Eterna, welche mit ihrer Kontiki-Linie lange Zeit Trends setzen konnte und mit der Eterna Matic in den 50ern und 60ern Klassiker produzierte.
Gerne vergessen wird, dass die Uhrenmanufakturen wie Roamer auch ein gutes Stück selber schuld waren und sich auf der Managementebene viele «Häuptlinge» und kaum «Indianer» bewegten. Die eigenen Erfolge führten zu Trägheit und zu Wasserköpfen in der Administration. Darob wurde vergessen, den Weltmarkt vorausschauend zu beobachten und Entwicklungen und Trends vorauszusehen.

Neben den Manufakturen gab es bekannte Marken, die keine eigenen Uhrwerke produzierten, sich jedoch erfolgreich auf dem Weltmarkt platzierten. In Grenchen die «Nivada» und «Rodania». Im Thal die «Technos» und in Günsberg die «Ginsbo».

In Herbertswil gab und gibt es die «Candino» und in Grenchen in irgendeiner Form immer noch die «Fortis», die sich nach einem veritablen Absturz wieder aufzurappeln versucht. Einen speziellen Fall, im positiven Sinne gemeint, bildet die immer noch in Grenchen als unabhängiges Familienunternehmen operierende «Titoni».

Titoni hat sich durch alle Quarz- und sonstigen Krisen als unabhängige, hierzulande eher unterschätzte Marke durch kluges Management und Marketing – auf den asiatischen Markt ausgerichtet – erfolgreich behaupten können. Die Firma Titoni hat in früheren Jahren Klassiker unter dem unter Sammlern immer noch beachteten Label «Felca» produziert.

Kein Mensch braucht heute noch eine Uhr. Die Zeit ist omnipräsent verfügbar, nicht zuletzt natürlich auf dem Smartphone. So sehe ich heute viele junge Leute, die ohne Zeitmesser – oder mit einer Apple Watch – am Handgelenk unterwegs sind. Zu meiner Zeit haben die Jugendlichen in den katholischen Kreisen zur Firmung ihre erste Uhr bekommen. Mein Firmgötti schenkte mir damals eine «Enicar Automatik» mit silbernem Zifferblatt. Leider ist die Uhr, wie auch die Traditionsmarke, abhanden gekommen. Sie existiert als chinesische Billigmarke vor allem in Asien weiter und lässt so die Erinnerungen an die tolle Markenuhr schneller als notwendig verblassen. Nur Sammler und Uhrenliebhaber sorgen dafür, dass die qualitativ hochstehenden Uhren weitere Jahrzehnte gute Gangwerte aufweisen. Ich werde im nächsten Beitrag darauf zurückkommen.

* Kurt Boner ist in Grenchen bekannt als ehemaliger Leiter der Sozialen Dienste Oberer Leberberg (SDOL). Wenige wissen, dass Boner usrprünglich gelernter Uhrmacher ist und seine Begeisterung für Uhren bis heute andauert. In der neuen Kolumne «Uhrenstadt» zeigt er uns einige Preziosen aus seiner privaten Sammlung von Armbanduhren, verbunden mit Geschichten und Hintergrundinformationen aus der lokalen Uhrenindustrie.