Grenchen
Zahl der Flugbewegungen auf den Regionalflughäfen sinkt

Die kleineren Schweizer Flugplätze wie in Grenchen stehen unter Kostendruck.

Peter Brotschi
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Vor dem Grenchner Tower steht eine DA-42, auf der die Pilotenstudenten die europäischen Instrumentenflug-Verfahren trainieren.

Vor dem Grenchner Tower steht eine DA-42, auf der die Pilotenstudenten die europäischen Instrumentenflug-Verfahren trainieren.

Regionalflughäfen wie Grenchen stehen vor grossen Herausforderungen: Tendenziell sinkende Flugbewegungen mit gleichzeitig höheren regulatorischen Auflagen und Kosten sind eine grosse Herausforderung. Ein Lösungsansatz ist die bessere Verknüpfung und Zusammenarbeit unter den Flugplätzen. An einer Tagung war sogar von einem einzigen «Regionalflughafen-CEO» die Rede.

Elf Regionalflughäfen gibt es wie Grenchen. Sie sind vom Bund konzessioniert und haben damit den Status eines Trägers des öffentlichen Verkehrs. Was Grenchen nicht hat, bieten andere Regionalflughäfen, nämlich Linienverkehr. So können beispielsweise von Bern-Belp aus viele Destinationen im Raum Mittelmeer und die meisten wichtigen europäischen Städte angeflogen werden. Allen Regionalflughäfen ist aber eigen, dass sie zentrale Funktionen für das gesamte System Luftfahrt wahrnehmen. Ebenso ist es eine Tatsache, dass die meisten Regionalflughäfen finanziell keineswegs auf Rosen gebettet sind und in diesem Bereich nicht mit den Landesflughäfen verglichen werden können.

Grenchen macht da keine Ausnahme (siehe Interview unten). An einer Fachtagung der Schweizer Aviatik-Journalisten im Verkehrshaus Luzern wurde die Entwicklung der Regionalflughäfen von hochkarätigen Referenten beleuchtet. «Regionalflugplätze dienen in erster Linie der Geschäfts-, Touristik- und Arbeitsfliegerei. Sie ergänzen die Landesflughäfen als Träger des öffentlichen Luftverkehrs mit direkten Verbindungen ins In- und Ausland. Daneben nehmen auf den Regionalflugplätzen die Ausbildung und der Flugsport eine bedeutende Rolle ein.»

Das versteht der Bund darunter

«Regionalflugplätze dienen in erster Linie der Geschäfts-, Touristik- und Arbeitsfliegerei. Sie ergänzen die Landesflughäfen als Träger des öffentlichen Luftverkehrs mit direkten Verbindungen ins In- und Ausland. Daneben nehmen auf den Regionalflugplätzen die Ausbildung und der Flugsport eine bedeutende Rolle ein.»

Gemäss Andreas Wittmer vom Center of Aviation Competence der Universität St. Gallen sind Regionalflugplätze volkswirtschaftlich relevant. Sie haben eine wichtige Entlastungsfunktion für die Landesflughäfen. Neben konkreten Effekten für die Wirtschaft haben sie auch Auswirkungen, die für eine Region zwar positiv, aber kaum messbar sind. Wittmer nannte dabei unter vielen anderen Punkten die gute regionale und internationale Erreichbarkeit und die Bildung von Industrieclustern, aber auch Imageeffekte, die das Standortmarketing unterstützen. Nicht von der Hand zu weisen sei auch der Freizeit- und Begegnungswert eines Regionalflughafens.

Andreas Wittmer sprach im Weiteren die Herausforderungen an, vor denen die Regionalflughäfen stehen. Steigende Kosten und stabil bleibende Erträge beschränkten die finanziellen Ressourcen. Ein grosser Teil der Einnahmen sei verkehrsabhängig. Deshalb unterstrich er die Wichtigkeit von Erträgen, die nicht direkt von der Aviatik abhängig sind. Wittmer votierte für eine stärkere Zusammenarbeit der Regionalflugplätze innerhalb der Schweizer Luftfahrt.

Für ihn ist es sogar denkbar, dass sich Halter von Regionalflugplätzen zusammenschliessen, um übergeordnet Management- und Support-Funktionen zu bündeln. Er stellte die schon fast provokativ anmutende Frage in den Raum, ob es künftig einen einzigen «Regionalflughafen-CEO» über die Schweiz gebe. «Die Luftfahrt muss als System-Partnerschaft betrieben werden», zeigte sich der Referent überzeugt.

Teil der Agglomerationsprogramme des Bundes

Das Agglomerationsprogramm des Bundes machte hier Schlagzeilen, weil die Region Grenchen im dritten solchen Programm nicht mit einem einzigen Franken berücksichtigt wurde. Nun zeichnen sich künftig vielleicht selbst für den Flugplatz Chancen für eine Beteiligung ab. Marcel Zuckschwerdt, stellvertretender Direktor des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl), verwies auf die Agglomerationsprogramme mit der Bemerkung, dass sie für Regionalflugplätze aufgrund ihres öffentlichen Status zur Anwendung kommen könnten. Hier seien aber vorerst die Kantone und Standortgemeinden gefordert, um entsprechende Projekte auszuarbeiten.

Zuckschwerdt hob weiter die Bedeutung der Regionalflugplätze für die Eidgenossenschaft hervor. Sie seien die Ergänzung zu den Landesflughäfen. Der Bund habe ein Interesse an guten, im Inland ausgebildeten Pilotinnen und Piloten. «Diese Arbeit», so Zuckschwert, «wird auf den Regionalflugplätzen gemacht.» Er machte sich auch Gedanken über die sinkenden Flugbewegungen: Von 1994 bis 2016 sind die totalen jährlichen Flüge auf den Regionalflugplätzen von über 500'000 auf rund 400'000 gesunken, was gemäss dem Referenten negative finanzielle Auswirkungen habe.

Finanzierungslücke ist Skyguide-Chefsache

Ein grosser Teil der aktuellen Probleme nimmt die Finanzierung der Flugsicherung ein. Der Bund will weniger an die Kosten der Flugsicherungsfirma Skyguide beitragen. Bis 2020 muss über alle Regionalflughäfen eine Deckungslücke von 3,5 Mio. Fr. geschlossen werden. Daniel Weder, CEO der Skyguide, erklärte die Lösung dieses Problems zur Chefsache, weil «die Regionalflugplätze extrem wichtig sind.» Lösungsansätze sieht Weder in der Anpassung des Leistungsangebots der Flugsicherung mit reduzierten Öffnungszeiten, Satellitennavigation sowie Instrumentenflüge ohne Flugsicherung, was aber eine Änderung der gesetzlichen Grundlage bedinge.

Auch ein «Remote-Tower», also mehrere Flugplätze von einem Kontrollturm aus zu sichern, sieht Weder in fünf bis zehn Jahren als machbar an. Der Skyguide-Chef möchte, dass sich die Regionalflughäfen künftig weniger als Einzelkämpfer sehen und ihre Supportaktivitäten bündeln. «Die Regionalflughäfen haben aber eine gute Zukunft und die Firma Skyguide wird ihren Teil dazu beitragen», zeigte sich Weder zuversichtlich.

«Landesflughäfen profitieren von Regionalflugplätzen»

Herr Blösch, sehen Sie die Zukunft der Regionalflugplätze auch in einer engeren Zusammenarbeit, wie dies Andreas Wittwer von der Uni St. Gallen propagiert?

Erich Blösch: Wir tauschen uns mit anderen Regionalflugplätzen, insbesondere mit Bern-Belp, regelmässig aus. Eine vertiefte Zusammenarbeit ist tatsächlich ein Thema. Im Moment sind wir allerdings beide mit der problematischen Umstellung der Finanzierung Flugsicherung beansprucht.

Viele Regionalflugplätze klagen über weniger Flugbewegungen. Ist dies auch in Grenchen der Fall?

Ja, das ist so. Diese Entwicklung ist seit Jahren zu beobachten. Im 2017 haben wir zum ersten Mal eine Zahl von unter 70000 Bewegungen registriert. Zur Erinnerung: Vor einer Generation verzeichneten wir noch Jahre mit über 100000 Starts und Landungen. Wir haben damit deutlich weniger Einnahmen und zudem wachsende Kosten. Strengere behördliche Auflagen und Regulierungen und zunehmende Vorschriften wirken sehr kostentreibend. Deshalb hat sich in den vergangenen Jahren die finanzielle Schere geöffnet, die Situation der Regionalflugplätze hat sich verschärft. Grenchen macht da leider keine Ausnahme.

Seitens des Bundes wird aber die wichtige Funktion der Regionalflughäfen im System Luftfahrt der Schweiz immer wieder betont …

… was durchaus auch der Fall ist. Regionalflugplätze sind eine wichtige Reserve für den aviatischen Überlauf der Landesflughäfen in den Bereichen der Geschäftsluftfahrt und der Allgemeinen Luftfahrt. Damit ermöglichen sie den Landesflughäfen die Annahme lukrativer Sparten. Mit anderen Worten: Die

Landesflughäfen können profitieren durch die direkte Mithilfe der Regionalflugplätze.
Auch bei der Pilotenausbildung?

Auf den Regionalflugplätzen wird der Nachwuchs an Pilotinnen und Piloten sichergestellt. Bei uns in Grenchen absolvieren ja alle zukünftigen Pilotinnen und Piloten der Swiss zwei mehrwöchige Ausbildungsgänge, was sehr für unsere Infrastruktur und unsere Region spricht. Die privaten Flugschulen in Grenchen gelten schweizweit als Referenz. Es ist nicht denkbar, dass der Pilotennachwuchs auf den drei grossen Landesflughäfen ausgebildet werden kann. Die Regionalflugplätze nehmen also eine Aufgabe von nationalem Interesse wahr.

Gibt es durch diese Erkenntnis eine Forderung?

Durch die Entlastung der Landesflughäfen in Sachen Geschäftsluftfahrt, Allgemeiner Luftfahrt und bei der Pilotenausbildung ist es durchaus legitim, über einen Finanzausgleich zu sprechen. Regionalflugplätze wie Grenchen sind im System Luftfahrt Schweiz unabdingbar und volkswirtschaftlich relevant. Deshalb bedürfen sie einer breiten Zustimmung der Kantone und Standortgemeinden aber auch Unterstützung durch den Bund, insbesondere durch eine Entlastung bei den Flugsicherungskosten.

Erich Blösch ist Präsident des Verwaltungsrates der Regionalflugplatz Jura-Grenchen AG.