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Podiumsgespräch zur Situation auf dem (Leer-)Wohnungsmarkt in Pieterlen und Grenchen.
Der Bauboom und seine Auswirkungen auf Pieterlen und Grenchen: Der Saal im Haus zum Himmel der Burgergemeinde Pieterlen war mit über 30 Personen, hauptsächlich Männern, gut besetzt. Diskutiert haben: Beat Rüfli, Gemeindepräsident von Pieterlen, Nicole Hirt, Gemeinderätin von Grenchen und Kantonsrätin, sowie Alain Chaney, Geschäftsführer der Immobilienfirma Wüest Partner in Bern.
Organisiert hatte das Podiumsgespräch das «Bieler Tagblatt». Dessen Redaktor, Tobias Graden, leitete das Gespräch. «Schadet der Bauboom den Gemeinden im Seeland?» Ein Titel, der angesichts der allgegenwärtigen Kräne in jeder Gemeinde reichlich Gesprächsstoff liefern würde.
Obwohl Pieterlen und Grenchen nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind, gibt es in ihrer Entwicklung in den letzten zehn Jahren Unterschiede. Pieterlen sieht sich im Wohnungssektor mit einem Leerstand von fast zehn Prozent konfrontiert. Dies bei einem Bevölkerungswachstum von 25 Prozent, was Elektrizität und Wasserversorgung strapazierte und die Schulraumplanung an ihre Grenzen brachte. Dabei ist allerdings der Steuerertrag nicht parallel zur Kopfzahl gewachsen.
«Es sind viele Familien zugezogen und junge Leute, Schweizer und Ausländer. Ein wunderbarer Mix», ist der Pieterler Gemeindepräsident überzeugt. Doch ein Mix, der dem gemeinschaftlichen Leben und den Ortsvereinen einiges an Integrationsaufwand abverlangt.
Die Stadt Grenchen ist 2008–2018 bei der Einwohnerzahl um rund zehn Prozent gewachsen und weist jetzt (Stichtag 1. Juni 2019) einen Leerwohnungsbestand von 2,02 Prozent aus. «Man kann die Leute nicht enteignen. Das bedeutet eine gewisse Machtlosigkeit. Doch wir versuchen, mit den Erben von Bauland und Immobilien zu reden, auch wenn das schwierig ist», erklärte Beat Rüfli die Situation aus Sicht der Gemeindebehörde Pieterlen.
«Grenchen betreibt eine aktive Zonenpolitik und kauft selbst Land. Darum mache ich mir derzeit nicht allzu grosse Sorgen», kontrastierte Nicole Hirt das Bild von ennet der Kantonsgrenze. Zudem verfüge die Stadt noch über Bauzonen im Umfang von über 42 Hektaren, was in der Industrie und im Wohnungsmarkt Wachstum zulässt. Zur Problematik der Wohnbausteuerung verwies die Kantonsrätin (GLP) auf die Suche nach Mitteln gegen Baulandhortung, die auf kantonaler Ebene unternommen werde. Eine Strategie, die angesichts hoher Leerstände paradox klingt, jedoch aufgrund des Verdichtungsdiktats des neuen Raumplanungsgesetzes Sinn macht.
Dass der herrschende Bauboom bisher nicht in einer Bruchlandung vergleichbar den Neunzigerjahren geendet hat, erklärte Alain Chaney mit dem «Rückenwind» aus dem Anlegermarkt. Der Immobilienexperte prognostizierte die Spitze der Leerwohnungsbestände in den nächsten zwei Jahren. «Ideal ist für den Markt eine Leerwohnungsquote von 1,3 Prozent», erklärte er in seinem Kurzreferat zum Auftakt des Abends.
«Stimmt es, dass die Investoren bei den Neubauten schon eine schöne Rendite haben, wenn nur die Hälfte der Wohnungen vermietet ist?», wollte Nicole Hirt von ihm wissen. Alain Chaney schüttelte den Kopf. «Bei 50 Prozent Leerstand geht die Rechnung nicht auf. Da mache ich stark rückwärts.»
Die Herausforderungen in Grenchen sieht Nicole Hirt bei der Belebung des Zentrums, der Senkung des Steuerfusses in Richtung kantonales Mittelmass und der Tendenz der Einwohner, die Freizeit ausserhalb zu verbringen. Befragt nach ihrer Vision 2030 gab sie der Hoffnung Ausdruck, die Grenchnerinnen und Grenchner möchten dann «nicht mehr jeden Samstag nach Biel oder Solothurn seckle».
Die passende Einwohnerzahl gemäss ihrer Einschätzung: 21'600 Personen. Denn man dürfe nicht vergessen, dass der Platzbedarf beim Wohnen seit den Siebzigerjahren pro Person von 26 auf heute 47 Quadratmeter gewachsen sei – ein Wohlstandsphänomen – wie auch die tiefe Wahlbeteiligung. Für diese letzte Aussage erntete Hirt einen der seltenen Lacher des Abends.
«In zehn Jahren ist Pieterlen fertig gebaut», lautete Beat Rüflis Vision 2030. Damit meinte er die äussere Siedlungsgrenze. Aus diesem Grund sei der Umgang mit alter Bausubstanz umso wichtiger. Um die Sanierung von Altbauten attraktiver zu gestalten, dachte er laut über eine «Honorierung» nach. Prompt fragte Immobilienfachmann Alain Chaney interessiert nach Details. Beat Rufli skizzierte die Idee eines Wettbewerbs für gelungene Altbausanierungen – mit Preisen, die substanzieller sein sollen als eine Flasche Wein, möglicherweise in Form von finanziellen Prämien.