Die Stiftung «Solodaris» feiert die erfolgreiche Integration der Wohngruppe «Nos Cresco». Die betreute Wohngemeinschaft schafft Platz für acht psychisch behinderte junge Erwachsene.
Acht junge Leute wohnen zusammen in einer Jugendstilvilla in Selzach. Sie kochen gemeinsam und kümmern sich um Haushalt und Garten – Dinge eben, die zum selbstständigen Wohnen gehören. Dennoch handelt es sich nicht um eine gewöhnliche WG: Die acht Mitbewohner leiden an einer psychischen Krankheit, die sie daran hindert, eigenständig den Alltag zu bewältigen.
Hier knüpft das Projekt «Nos Cresco» an. Es handelt sich um eine betreute Wohngemeinschaft für psychisch behinderte junge Erwachsene – eine Wohnform am Scharnier zwischen Heim- und Alleinwohnen. «Das Fernziel ist eine eigene Wohnung», erklärt Regula Straumann, Leiterin von «Nos Cresco». 2004 hat die Psychiatriefachfrau das Projekt in Selzach selbstständig aufgezogen. Seit Anfang dieses Jahres ist die Wohngruppe nun Teil der Stiftung «Solodaris», die aus dem Wohnheim und Beschäftigungsstätte «Wyssestei» und dem Verein «Solodaris» hervorgegangen ist.
Synergien nutzen
Letzte Woche lud die Stiftung nach Selzach, um die gelungene Integration zu feiern. Geschäftsführer Daniel Wermelinger hiess «Nos Cresco» herzlich willkommen: «Ihr seid eine Bereicherung für uns». Mit «Nos Cresco» sei es gelungen, eine Lücke im Angebot des Kantons zu schliessen, würdigte Wermelinger die Arbeit von Regula Straumann. «Mit Herzblut und Innovation» habe diese das Projekt aufgebaut; «Nos Cresco» sei erfolgreich gestartet und auf grosse Akzeptanz auch innerhalb der Szene gestossen. Straumann gibt für den Zusammenschluss wirtschaftliche und personelle Gründe an: «Die administrativen Anforderungen machen es einem kleinen Betrieb schwer.» Nun wolle man von Inputs und Ideen aus dem Austausch mit anderen profitieren.
«Es bieten sich gute Synergieeffekte», doppelte Wermelinger nach: Obwohl Solodaris eigentlich nicht mehr habe wachsen wollte, habe man sich diese Chance nicht entgehen lassen wollen. Die Wohngemeinschaft soll «Solodaris» nun ergänzen und dennoch eigenständig bleiben. «Ziel war es, einen Neustart zu begehen und doch die bestehende Kultur zu bewahren und das Personal mitzunehmen.» Solodaris ist inzwischen die zweitgrösste Behinderteninstitution im Kanton und bietet 200 Plätze in betreuten Wohnverhältnissen und 118 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung.
Selbstständigkeit erlernen
Das Angebot in Selzach richtet sich nur an 18 bis 30-jährige Menschen mit einer psychischen Behinderung. «Nos Cresco» bietet den jungen Leuten eine Tagesstruktur und begleitet sie im Alltag. «Ziel ist es zu lernen, Verantwortung im Hinblick auf eine eigenständigere Wohnform zu übernehmen», so Straumann. Dies fange bei der Verwaltung von Geld oder den einzunehmenden Medikamenten an und umfasse auch etwa die Freizeitgestaltung oder das Aufbauen eines Freundeskreises. Das Angebot ist geprägt von spezifischen Themen junger Erwachsener – dazu gehört der Loslösungsprozess von den Eltern, Auseinandersetzungen in der Gruppe und der Kontakt zur Aussenwelt. «Dieses junge Element macht den Job dynamischer, aber auch anspruchsvoller», anerkannte Wermelinger. Er überreichte der WG einen Gutschein für einen gemeinsamen Ausgang und eine Wetterfahnenfigur in Form eines galoppierenden Pferdes: «Ich hoffe, ihr werdet uns auf Trab halten.»