Grenchen Witi
Wird mit der Piste auch die Wasserstadt verhindert?

Ein Volksauftrag zum Witi-Schutz will die Pistenverlängerung kappen und könnte auch zur Hürde für die angedachte Solothurner Wasserstadt werden. Regierung und Kantonsräte deuten ein einziges Wort so unterschiedlich, dass Interpretationschaos droht.

Lucien Fluri
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Nur wenn der Solothurner Stadtmist dereinst totalsaniert werden muss, hat die Wasserstadt wohl Chancen auf die Realisierung. Wichtig könnte auch sein, wie eng der Kantonsrat am 2. September den Witi-Schutz fasst.

Nur wenn der Solothurner Stadtmist dereinst totalsaniert werden muss, hat die Wasserstadt wohl Chancen auf die Realisierung. Wichtig könnte auch sein, wie eng der Kantonsrat am 2. September den Witi-Schutz fasst.

Illustration ZVG

Immer wieder Grenchen: Wenn es um den Volksauftrag für den ungeschmälerten Schutz der Witi geht, ist eigentlich die geplante Pistenverlängerung gemeint. Kein Wunder: Der Bellacher Kantonsrat Felix Glatz-Böni (Grüne) hat den Volksauftrag im Herbst eingereicht, um das Pistenprojekt zu verhindern.

Tatsächlich aber könnte der Volksauftrag, über den der Kantonsrat am 2. September entscheidet, auch in Solothurn grosse Auswirkungen haben. Dort, am anderen Ende der Witi, könnte nämlich bald das Projekt Wasserstadt zur Diskussion stehen, wenn denn der Stadtmist totalsaniert werden müsste. Eine rigide Umsetzung des Witi-Schutzes könnte die Wasserstadt einschränken, gesteht Stephanie Logassi Kury, Kommunikationsverantwortliche der Wasserstadt Solothurn AG, ein – auch wenn nur ein kleines Stück des Projektes in der Witi-Schutzzone liegt. Aus Sicht der Projektverantwortlichen wäre dies «grotesk». Denn ein Teil des Stadtmistes, der möglicherweise ausgehoben werden muss, befindet sich in der Witi-Zone. «Es wäre skurril, wenn die Witi-Zone eine Mülledeponie schützt», sagt Logassi Kury. Sie hält deshalb Anpassungen am Perimeter der Schutzzone für nötig.

Anders sieht dies der Urheber des Volksauftrags, Felix Glatz-Böni. Für ihn sind Wasserstadt und Witi-Schutz kaum vereinbar. «Im Grundsatz gilt der ungeschmälerte Schutz der Witi überall», sagt er, auch wenn «ein konkretes Projekt genauer angeschaut werden müsste».

Alle deuten ein Wort anders

Während Felix Glatz-Böni ein Ja zum Volksauftrag und die Wasserstadt nicht vereinbaren kann, interpretiert Georg Nussbaumer den Volksauftrag anders. Der Präsident der kantonsrätlichen Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission (Umbawiko) versteht den Text nämlich so, dass am Rande der Witi durchaus noch Zonenänderungen vorgenommen werden könnten – etwa bei der Wasserstadt, aber auch bei Grenchner Industriefirmen, die ausbauen möchten.

Diese Diskussion zeigt: Selten gab es im Voraus so viel Verwirrung um einen einzigen Text wie bei diesem Volksauftrag. Bis Anfang September besteht also noch einiger Klärungsbedarf. Umstritten ist am Volksauftrag, was der Wortlaut «ungeschmälerter Schutz» der Witi bedeutet. Für Urheber Glatz-Böni ist klar: Soll die Witi in ihrer heutigen Qualität bestehenbleiben, ist eine Pistenverlängerung nicht möglich. «Der Eingriff ins Herz der Witi kann nicht durch das Hinzufügen einiger Quadratmeter am Rand kompensiert werden.»

Anders sieht dies Regierungsrat Roland Fürst. Für ihn bedeute der «ungeschmälerte» Schutz der Witi, dass «die Kompensationsmassnahmen umso besser und umfassender sein müssen, je massiver der Eingriff in die Schutzzone ist». Die Pistenverlängerung ist für ihn auch bei Annahme des Volksauftrages möglich.

Ursprungstext zurückgezogen

Was meinte die Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission, als sie sich kürzlich ebenfalls für den «ungeschmälerten Schutz» der Witi aussprach? Aus den Wortprotokollen der Kommission lasse sich nirgends schliessen, dass damit auch die Piste verhindert werden soll, sagt Kommissionspräsident Georg Nussbaumer. Seine persönliche Meinung ist aber, dass Kommission und Regierung den Hintergrund und die Absicht des Volksauftrages kennen würden. Deshalb hält er die Argumentation der Regierung nicht für gerechtfertigt.

Seit gestern ist immerhin klar: Es muss nur über eine Version des Volksauftrages abgestimmt werden. Felix Glatz-Böni hat nämlich den ursprünglichen, etwas enger gefassten, aber eher chancenlosen Wortlaut seines Volksauftrages zurückgezogen. Er schliesst sich damit dem Vorschlag der Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission an. Dies gab Glatz-Böni an einer Wahlveranstaltung der Grünen in Altreu bekannt. Er vertraut darauf, dass der Wortlaut «ungeschmälerter Witi-Schutz» den Ausbau des Flughafens verhindert. Er ist überzeugt: «Das Parlament hat hier die Deutungshoheit und nicht die Regierung.»

Pistenverlängerung: Gegner rufen zur Demonstration vor dem Rathaus auf

Die Gegner der Grenchner Pistenverlängerung rufen zur Demonstration in Solothurn auf. Am 2. September wollen sie sich morgens um 8 Uhr vor dem Solothurner Rathaus treffen, wo an diesem Tag die 100 Kantonsräte über den Volksauftrag für den ungeschmälerten Schutz der Witi entscheiden. Ziel sei es, im Vorfeld des Entscheides etwas Druck auf die Regierung zu machen und den eintreffenden Kantonsräten die Betroffenheit zu zeigen, sagt Mitorganisator und BDP-Kantonalpräsident Markus Dietschi (Selzach). «Es ist die einzige Gelegenheit für die Stimmbürger, um zur Pistenverlängerung Stellung nehmen zu können», so Dietschi. «Die Leute können sonst nie etwas dazu sagen.» Dietschi hofft auf rund 100 Personen. Der Anlass ist von der Stadtpolizei bewilligt. Es wird keinen Zug durch die Stadt geben, der Anlass soll ruhig über die Bühne gehen.

Möglicherweise werde man an diesem Tag auch die gegen die Pistenverlängerung gesammelten Unterschriften an Baudirektor Roland Fürst übergeben. Das Komitee zählt inzwischen 4500 Mitglieder und hat ebenso viele Unterschriften gesammelt.

Zwar kommt es bei der Stadtpolizei immer wieder zu Anfragen für Demonstrationen oder Umzüge durch die Stadt – zuletzt zogen am 15. August Fans des FC Thun durch Solothurn. Doch abgesehen vom 1. Mai ist es äusserst selten, dass in Solothurn eine «Demonstration» oder eine ähnlich gelagerte Veranstaltung einen politischen Hintergrund hat – und erst noch Organisatoren aus dem bürgerlichen Lager: Neben BDP-Kantonalpräsident Markus Dietschi engagiert sich auch der frühere Selzacher FDP-Kantonsrat Simon Winkelhausen stark im Komitee. (lfh)