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Am ersten Tag der vom Bund und Kanton verordneten Schulschliessung zeigt ein Augenschein im Kastelsschulhaus: Man ist gut vorbereitet und bleibt ruhig. Auch die Eltern haben Verständnis.
Ruth Bieri, Schulleiterin des Kastels-Schulhauses, war schon das Wochenende über gefordert, wie sozusagen alle Lehrpersonen der Stadt. Die Geschäftsleitung der Schulen Grenchen tagte bereits am Samstag, um die nötigen Vorkehrungen für den Betrieb zu treffen, der ab Montag ohne Kinder in den Klassen stattfinden sollte. Die Lehrpersonen wurden über die getroffenen Massnahmen informiert und hätten begonnen zu arbeiten, sagt Bieri. Denn Ziel ist es, den Kindern den Schulstoff auch zu vermitteln, selbst wenn sie nicht physisch vor Ort sind.
In der Oberstufe scheint das weniger ein Problem zu sein, wie die Redaktion aus diversen Quellen erfahren hat. Den Schülerinnen und Schülern kann der Stoff online übermittelt werden und sie sind sich auch gewohnt, selbstständig zu arbeiten und zu lernen. Aber wie sieht das in der Unterstufe aus? Bei den Erst- und Zweitklässlern? Diese Zeitung wollte sich ein Bild machen und besuchte auf Einladung hin das Kastelsschulhaus.
Im Schulhaus herrscht eine gespenstische Stille. Die Gänge sind leer, die Türen zu den Zimmern stehen offen. Nach einer gemeinsamen Information haben sich die Lehrer in die Klassenzimmer zurückgezogen und bereiten den Stoff vor, der den Schülerinnen und Schülern nun online angeboten werden soll.
«Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen», sagt Schulleiterin Ruth Bieri. «Auch wenn ich damit rechne, dass die ausserordentliche Situation noch länger dauert.» Sie strahlt eine bemerkenswerte Ruhe aus. Eine Ruhe, die sich auch auf die Lehrpersonen überträgt, wie es scheint. «Wir müssen aushalten, dass nicht alles gleich von Anfang an funktioniert, so wie wir uns das wünschen», sagt sie. Die grösste Sorge sei die, dass nicht jedes Kind auch wirklich Zugang zum Stoff habe. «Ein gut funktionierendes Laptop wäre jetzt eine wirklich kluge Investition».
In allen Zimmern wird konzentriert gearbeitet, die Lehrerinnen und Lehrer tragen den Stoff zusammen, den sie auf den Server hochladen, auf dem jede Klasse einen eigenen Ordner hat. Dabei geht es darum, den Stoff gestaffelt zu vermitteln. Die Schülerinnen und Schüler müssen ihn selbstständig abarbeiten, Lösungsblätter werden erst Ende der Woche nachgeliefert, damit die Kinder selber kontrollieren können, ob sie den Stoff begriffen haben oder nicht.
«Zum Glück sind die Übertrittsgespräche schon vorbei», sagt Kurt Gasche, der zusammen mit Salvatore Toro – in gebührendem Abstand von mindestens zwei Metern – ebenfalls am besprechen ist, was sinnvoll ist, jetzt schon auf den Server zu stellen. «Die direkte Kontrolle, ob Schülerinnen oder Schüler auch in dieser Situation den Stoff abarbeiten und dabei etwas lernen, die fehlt», sagt Gasche. Aber man könne bei den älteren Schülern auch das Verständnis voraussetzen, dass sie weder für die Eltern, noch die Grosseltern und schon gar nicht für die Lehrpersonen lernen müssen, sondern ganz alleine für sich selber. «Lernen sie nicht, sind sie selber schuld», sagt Toro.
Mirjana Blazevic, Klassenlehrerin einer 5. Klasse, hat sich ihr erstes Jahr als Lehrerin anders vorgestellt, wie sie sagt. Sie ist dabei, einen Plan für die Eltern und Dossiers zusammenzustellen, die von den Schülerinnen und Schülern gestaffelt abgeholt werden können. «Es ist vor allem schwierig, weil wir nicht wissen, ob die Kinder auch ein Laptop zur Verfügung haben, um daran zu arbeiten.»
Vier Lehrerinnen sitzen im Zimmer von Monika Mengisen. Sie unterrichten alle die 2. Klasse. Wie viel kann man den Kindern zumuten? Pro Tag zwei Stunden, ist man sich einig. Eine Stunde Mathematik, eine Stunde Deutsch. Dazu noch eine halbe Stunde Lesen. «Wäre es nicht möglich. dass kleine Lerngruppen gebildet werden, mit zwei oder drei Kindern? Da würde ihnen das Lernen doch bestimmt einfacher fallen». Eine Frage, die man noch klären muss.
Auch Erstklasslehrerin Karin Jäggi bereitet Pakete vor, die die Eltern ihrer Schülerinnen und Schüler abholen kommen. «Wir haben grade mit dem Thema Wasser begonnen. Also bekommen die Kinder beispielsweise eine Anleitung, wie man aus Papier ein Schiffli faltet. Sie sollten ja auch noch etwas Spass haben», sagt Karin Jäggi. Sie mache sich etwas Sorgen um die Kinder, die spezielle Förderung benötigten, beispielsweise weil sie die deutsche Sprache nicht oder schlecht beherrschten. «Diese Förderung erhalten sie zu Hause nicht und ich befürchte, dass da die Schere weiter aufgehen könnte.»
Die Eltern hätten bis jetzt sehr ruhig reagiert auf die neuen Umstände, sagt die Schulleiterin. Ab Donnerstag werden Lehrpersonen diejenigen Kinder betreuen, bei denen das nötig ist. Wie viele das sind, weiss man noch nicht, die entsprechenden Formulare treffen erst ein. Ein Teil der Lehrpersonen wird dann auch im Homeoffice arbeiten können.
«Wir sitzen alle im selben Boot und müssen einfach das Beste daraus machen», sagt die Schulleiterin.
Gesamtschulleiter Hubert Bläsi ist sehr erfreut, wie Eltern und Lehrpersonen auf die Situation reagieren: «Die ausserordentliche Lage hat auch zu etlichen Kontakten mit Eltern, Benützern von Schuleinrichtungen, wie auch weiteren Kreisen geführt. Dabei war es eindrücklich, wie sachlich und inhaltlich korrekt, die Anliegen vorgebracht wurden. Es wurde spürbar, dass wir im gleichen Boot sitzen und in die gleiche Richtung rudern wollen. In diesem Sinne leisten wir das Machbare. Es werden aber wahrscheinlich weitere unpopuläre Entscheide gefällt werden müssen. Dabei gehen wir vom vorhandenen Verständnis, wie auch von der ebenso wichtigen, gelebten Solidarität aus. Allen Beteiligten und vor allem den Mitarbeitenden, inklusive den Lehrpersonen, gebührt ein grosses Dankeschön», schreibt Bläsi.