Flughafen Grenchen
«Wir brauchen so Leute wie Sie» – Porträt eines Fluglotsen

Der dritte Teil unserer Sommerserie «Arbeitsplatz Flughafen». Wir besuchten Simon Dietiker, Fluglotse im Tower des Flughafens.

Oliver Menge
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Simon Dietiker, einer der drei Fluglotsen im Tower Grenchen, an seinem Arbeitsplatz über dem Flugplatz.

Simon Dietiker, einer der drei Fluglotsen im Tower Grenchen, an seinem Arbeitsplatz über dem Flugplatz.

Oliver Menge

Was macht eigentlich ein Fluglotse? «Ganz einfach: Er regelt den Verkehr am Himmel und sorgt dafür, dass die Safety, die Sicherheit, jederzeit gewährleistet ist», sagt Simon Dietiker, einer der Fluglotsen, die auf dem Regionalflugplatz Grenchen stationiert sind. «Sobald ein Pilot in den Luftraum fliegt, der dem Tower Grenchen zugewiesen ist, übernimmt Grenchen die Kontrolle.» Der Fluglotse im Tower sieht auf seinem Radarschirm die Position aller anderen Flugobjekte in seinem Luftraum und sieht auch, was auf dem Boden vor sich geht. Er hat Kenntnis von Flugplänen, weiss, wann welches Flugzeug starten will, wann Ausbildungsflüge und Fallschirm-Absetzflüge stattfinden sollen, ist im Kontakt mit den Piloten in der Luft, immer auf Englisch, der internationalen Fliegersprache.

Sommerserie: Jobs am Flughafen

Der Flughafen ist für Grenchen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In unserer Serie «Arbeitsplatz Flughafen» stellen wir verschiedene Menschen, Firmen und Tätigkeiten vor, die man auf dem Flughafenareal antrifft.

Im ersten Teil besuchten wir René Mühlethaler und Pius Kaufmann, die sich auf den Unterhalt von Flugzeug-Veteranen spezialisiert haben. Teil zwei führte uns zu Paul Diener, der auf Flugzeug-Spenglerei spezialisiert ist.

Heute, im dritten Teil, sind wir zu Besuch im Tower des Flughafens beim Fluglotsen Simon Dietiker.

Mit genauen Anweisungen an alle, die sich irgendwie auf dem Flugplatz bewegen oder sich im Luftraum aufhalten, sorgt der Fluglotse für einen reibungslosen und vor allem unfallfreien Ablauf der Fliegerei. Aber damit ist es nicht getan: Im Tower muss der Fluglotse auch immer ein Auge auf den Bildschirm mit den Wetterinformationen haben, er muss in Verbindung mit anderen Flughäfen stehen. «Das erfordert schon in gewissem Mass spezielle Charaktereigenschaften», verrät Dietiker. «Man benötigt eine schnelle Auffassungsgabe, muss jede Situation blitzschnell analysieren und richtig einordnen können, verschiedene, gleichzeitig auftretende Ereignisse einordnen, beurteilen und priorisieren können.

Also gewissermassen parallel denken. Und man darf sich in einer Krisensituation nicht durch Emotionen aus der Ruhe bringen lassen.» Eigenschaften, die Dietiker auch bei seinen Hobbys von Vorteil sind: Tauchen und Kunstflug. «Beides Dinge, bei denen Mensch, Technik und Natur in engster Verbindung sind. Das ist für mich das Reizvolle.»

Frühe Faszination

Die Fliegerei hat den heute 47-Jährigen schon als kleiner Junge fasziniert: «Meine Familie besitzt im Tessin ein kleines Rustico. In der Nähe befindet sich ein Flugplatz, auf dem Fallschirmspringer mit einem Pilatus Porter nach oben gebracht werden. Mein Vater war grosser Pilatus-Fan, seine Begeisterung hat er in den 70er-Jahren auf mich übertragen.» Vater und Sohn gingen oft zum Flugplatz und haben dem Flugzeug fasziniert zugeschaut, wie es sich nach oben schraubte, die Springer ausspuckte und dann fast im Sturzflug wieder nach unten sauste. Später, als er dann selber als Fallschirm-Absetzpilot auf dem gelben Pilatus Porter in Grenchen tätig war, habe sich der Kreis geschlossen.

Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Dietiker begann mit der Fliegerei schon früh und machte mit 18 Jahren das Segelflugbrevet. Schon zwei Jahre zuvor hatte er ab und zu im Büro des Flugplatzes Birrfeld ausgeholfen. Zwei Jahre später, mit 20 Jahren, kamen das Motorflugbrevet und die Erweiterung zum Segelflugschlepper dazu. Aber Dietiker absolvierte in der Zeit auch eine Lehre als Tiefbauzeichner. «Irgendwann musste ich mich entscheiden. Zur Segelflugausbildung hatte auch der Sprechfunk auf Englisch gehört. Und mein Experte sagte mir damals, ‹wir brauchen Leute wie Sie bei Swisscontrol› (die Vorläuferin der heutigen Flugsicherung Skyguide, Anm. der Redaktion). Diesen Floh im Ohr wurde ich nicht mehr los.»

Mit 21 machte er die «Selektion» für Swisscontrol – ein dreitägiger Eignungstest, den nur gerade 6 Prozent aller Kandidaten bestehen. Dietiker bestand, aber zunächst besuchte er die Flieger-Rekrutenschule und wurde Waffenwart bei der Tigerstaffel. «Nach der Unteroffiziersschule und der Luftwaffen-Offiziersschule wurde ich Luftbildauswerter bei der Aufklärerstaffel 10.» Damals war noch die Mirage III RS im Dienst, als man mit einer speziellen Luftaufklärungskamera Fotos nach allen Seiten machte, während das Flugzeug mit 860 km/h in 100 Metern Höhe über ihr Ziel raste. «Ich hatte selber zweimal die Gelegenheit, im Cockpit einer Mirage zu fliegen– allerdings nur als Kopilot im Zweisitzer.»

Eine Lizenz pro Flughafen

1994 schliesslich habe er sich dazu entschlossen, die Ausbildung zum Fluglotsen zu beginnen. «Die Grundausbildung dauert ein Jahr und besteht aus Theorie und Simulationsmodulen. Doch danach hat man noch lange keine Lizenz, um auf einer Dienststelle arbeiten zu können», erklärt Dietiker. Denn so wie bei den Piloten ihr Flugbrevet auf bestimmte Flugzeugtypen beschränkt ist, müssen Fluglotsen zuerst eine Ausbildung auf dem ihnen zugeteilten Arbeitsplatz machen und erhalten eine entsprechende Lizenz.

Je nach Dienststelle und Sektor dauert das zwischen einem und vier Jahren, in denen man nur als Trainee unter Aufsicht arbeiten darf und von erfahrenen Fluglotsen ausgebildet wird. Unter anderem ist das auch mit ein Grund für die zeitweisen personellen Engpässe, denn man kann keinen Fluglotsen beispielsweise einfach so in Zürich abziehen und nach Bern versetzen, solange er nicht die Lizenz für Bern hat. «Ich wurde zur Luftstrassenkontrolle Genf eingeteilt, das aber hat für mich aus diversen Gründen nicht gestimmt. Also habe ich die Ausbildung abgebrochen und schleppte zwei Saison lang auf dem Flughafen Birrfeld Segelflugzeuge.»

Während einer weiteren Ausbildung bei Crossair zum Dispatcher wurde auf dem Regionalflugplatz Grenchen eine Stelle für einen Tower-Fluglotsen frei. «Ich wurde angefragt und beendete meine Ausbildung zum Flugverkehrsleiter HF (offizielle Berufsbezeichnung).» 1999 bestand er die Prüfung in Grenchen und lizenzierte sich 2006 zusätzlich für den Flughafen Buochs, auf dem er temporär bis 2016 tätig war.

Fliegerlatein: «FlightLevel»

«FlightLevel» bezeichnet schlicht die Flughöhe, die einem Flugzeug vom Lotsen zugewiesen wird.

Laut Simon Dietiker lautet ein beliebter Witz unter Fluglotsen wie folgt:
«Radar, hier ist LH123, was macht dieser Airbus zu meiner Linken auf meinem FlightLevel?» Antwort des Radar-Controllers: «Und wie kommen Sie auf die Idee, das sei Ihr FlightLevel, Captain?»

2006 fasste der Bund alle Flugsicherungen unter einem Dach zusammen. Die Flugsicherungsfirma «Skyguide» wurde gegründet und übernahm fast auf allen Flughäfen der Schweiz die Luftverkehrskontrolle inklusive Personal. Seit 2016 ist Dietiker ausschliesslich in Grenchen stationiert und unter anderem auch verantwortlich für die Ausbildung von Trainees, die dereinst als vollamtliche Fluglotsen in Grenchen arbeiten werden, jetzt aber noch ihre Ausbildung im Tower Grenchen und in Zürich im Simulator absolvieren.

Zu den aktuellen Problemen rund um Skyguide und zum Personalmangel will sich Dietiker an dieser Stelle nicht äussern. Für ihn sei nur wichtig, dass man letztlich zu einer Lösung komme, die auch für die Leute im Tower stimme. «Die Verantwortung in unserem Job ist sehr gross, aber es gibt auch noch ein Leben neben dem Job, mit Familie, mit Hobbys und Freizeit. Das ist mir sehr wichtig, muss auch Platz haben und will deshalb gut durchdacht sein. Schnellschüsse darf man keine machen.»